Rz. 97
Will ein Eigentümer seine vermietete Eigentumswohnung verkaufen, so ist bei der Vorbereitung des notariellen Kaufvertrags zu überprüfen, ob dem Mieter das gesetzliche Vorkaufsrecht nach § 577 BGB zusteht. Bestand der Mietvertrag bereits vor der Aufteilung des Grundstücks in Wohnungseigentum, steht dem Mieter sein gesetzliches Mietervorkaufsrecht zu. War jedoch das Grundstück zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses bereits in Wohnungseigentum aufgeteilt, steht dem Mieter das gesetzliche Mietervorkaufsrecht nach § 577 BGB nicht zu.
Der BGH entschied zum Vorkaufsrecht des Mieters bei dem Verkauf eines ungeteilten Mietshauses, dass das Vorkaufsrecht des Mieters gem. § 577 Abs. 1 BGB dann grundsätzlich nicht entsteht, wenn ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück verkauft wird und erst die Erwerber durch Teilungsvereinbarung gem. § 3 WEG Wohnungseigentum begründen. Dies gilt in der Regel auch dann, wenn die Erwerber beabsichtigen, die neu geschaffenen Einheiten jeweils selbst zu nutzen.
Rz. 98
Das gesetzliche Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 BGB ist lediglich ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht. Das Grundbuchamt verlangt daher zur Erledigung des Eigentumsumschreibungsantrages keine Nachweise darüber, wer Mieter der Wohnung ist. Ebenso wenig verlangt des Grundbuchamt Nachweise über einen etwa vom Mieter erklärten Verzicht auf die Ausübung seines Vorkaufsrechts oder darüber, dass die zweimonatige Frist nach Zugang der Mitteilung des wirksamen Vertrags beim Mieter mit der Anfrage zur Ausübung des Vorkaufsrechts in Gang gesetzt und verstrichen ist. Das Mietervorkaufsrecht sperrt das Grundbuch also nicht. Missachtet der Verkäufer jedoch das Mietervorkaufsrecht, macht er sich gegenüber dem Mieter schadenersatzpflichtig.
Rz. 99
Verkauft der Verkäufer seine Eigentumswohnung an eine Person, die nicht Mieter der vertragsgegenständlichen Eigentumswohnung ist, wirkt das Mietervorkaufsrecht dem Käufer gegenüber nicht wie ein dingliches Vorkaufsrecht. Ein dingliches Vorkaufsrecht wirkt Dritten gegenüber wie eine Vormerkung zur Sicherung des durch die Ausübung des Rechts entstehenden Anspruchs auf Übertragung des Eigentums, § 1098 Abs. 2 BGB.
Rz. 100
Wenn der Notar zur Einholung der Mietervorkaufsrechtsverzichtserklärung erfolgreich tätig werden soll, genügt es nicht, wenn die Vertragsparteien ihn im Kaufvertrag nur allgemein mit einer Vollmacht zur Durchführung des Vertrags beauftragen. Der Notar muss vielmehr durch eine Spezialvollmacht ausdrücklich bevollmächtigt werden. Die Spezialvollmacht kann im Kaufvertrag mit beurkundet werden, sodass die Vollmacht auf den Notar dem Mieter durch eine Ausfertigung (§ 47 BeurkG) nachzuweisen ist. Nur die Ausfertigung, nicht die beglaubigte Abschrift beweist den Bestand der Vollmacht.
Rz. 101
Sollte der Mieter sein Vorkaufsrecht ausüben, bleibt der Anspruch des Käufers auf Verschaffung des Eigentums gegen den Verkäufer bestehen. Dem Verkäufer ist es aber unmöglich, die Eigentumswohnung an den Käufer zu übereignen und zugleich auch dieselbe Eigentumswohnung dem das Vorkaufsrecht ausübenden Mieter zu übereignen. Deshalb wird in der notariellen Praxis entweder ein Rücktrittsrecht der Parteien vereinbart. Auch ein automatisches Erlöschen der gegenseitigen Leistungspflichten für den Fall der wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts kommt in Betracht sowie eine Kombination von Rücktrittsrecht und automatischem Erlöschen.