Rz. 215
Zur Ermittlung eines Kapitalabfindungsbetrages werden
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die in der Vergangenheit aufgelaufenen, fälligen Schadenzahlungen addiert sowie |
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künftig erst noch fällig werdende Forderungen kapitalisiert oder abgezinst. |
Rz. 216
Die (auf die Abgeltung künftig fällig werdender Renten gerichtete) Kapitalabfindung ist selbstredend niedriger als die Addition der sukzessiv fällig werdenden Renten. Nur die im Zeitpunkt der Kapitalisierung bereits aufgelaufenen fälligen Renten werden, soweit noch nicht ausbezahlt, addiert, die künftigen Rentenleistungen hingegen kapitalisiert bzw. künftige Einmalzahlungen abgezinst.
a) Addition vergangener Positionen
Rz. 217
Die Höhe des Schadenersatzbetrages ist durch Probleme im tatsächlichen und rechtlichen Bereich gekennzeichnet. Eine Prognose anhand mathematischer Wahrscheinlichkeiten entfällt i.d.R. aufgrund tatsächlicher Schadenbetrachtung und -einschätzung.
b) Kapitalisierung künftiger Forderungen
aa) Grundzüge
Rz. 218
Kapitalisierung bedeutet die Zurverfügungstellung eines einmaligen Betrages anstelle ansonsten ratierlicher, erst zu späteren Zeitpunkten sukzessive fällig werdender, Zahlungen bereits vor deren jeweiliger Fälligkeit.
Rz. 219
Der Betrag baut sich unter Berücksichtigung von Aufzinsung und regelmäßiger Kapitalentnahme bis zum Ende des geschuldeten Entschädigungszeitraumes auf null ab (siehe Rdn 24 f.).
Rz. 220
Die einzelnen Berechnungsfaktoren sind je nach den Besonderheiten des Falles zu schätzen, wobei die Beteiligten zur künftigen Entwicklung der Lebensumstände des Verletzten bzw. Getöteten und der wirtschaftlichen Daten Prognosen wagen müssen: Prognosen sind, und dies ist nicht nur eine Börsenweisheit, schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Letztlich ist der Kapitalbetrag frei auszuhandeln unter Abwägung der beiderseitigen Interessenlagen: Das Risiko, durch eine Abfindung zu viel bezahlen zu müssen bzw. zu wenig zu erhalten, haben beide Parteien abzuwägen und zu tragen (§ 2 Rdn 1360 f.).
bb) Kapitalbetrag
Rz. 221
Das Produkt aus Jahresschadenbetrag und Kapitalisierungsfaktor ergibt denjenigen Kapitalbetrag, aus dem der Geschädigte für die zugrunde zu legende Laufzeit durch Kapitalabbau einerseits und Zinserträgnisse andererseits in der vereinbarten Höhe seinen jährlichen Schadenbedarf decken kann.
Rz. 222
Die Berechnung der Kapitalabfindung erfolgt für die Zukunft durch Multiplikation der jährlichen Schadenhöhe mit dem ermittelten Kapitalisierungsfaktor:
Rz. 223
Formel 1.1: Kapitalisierung
Jahresschadenbetrag (monatlicher Ansatzbetrag * 12) * Kapitalisierungsfaktor = Kapitalbetrag
cc) Jahresschadenbetrag
Rz. 224
Der Jahresschadenbetrag wird für die Berechnung häufig als fixer, gleichmäßig bleibender Betrag angesetzt. Die Bestimmung des Betrages unterliegt ähnlichen Kriterien wie der bereits in der Vergangenheit fällige Betrag, begleitet durch die Schwierigkeit, die künftige persönliche, gesundheitliche und wirtschaftliche Weiterentwicklung zu prognostizieren.
Rz. 225
Wird ein ermittelter Monatswert auf einen Jahreswert hochgerechnet, ist stets zu prüfen, ob in der Tat auch für jeden Monat dieser Betrag anfällt. So entfallen z.B. in Urlaubszeiten Erschwerniszulagen beim Verdienstausfall und der Haushaltsführungsschaden ist in Zeiten stationärer Behandlung oder während des Urlaubes ebenfalls geringer (Rdn 466); finanziell bewertete Tätigkeiten sind u.U. auch jahreszeit-/saisonal-gebunden (wie Schneefegen, Gartenarbeiten). Auch häusliche Pflege kann bei stationärer Krankenhauspflege zeitweise überflüssig sein.
dd) Kapitalisierungsfaktor
Rz. 226
Hinweis
Zu Kapitalisierungstabellen siehe die Hinweise zu Rdn 237 ff.
Rz. 227
Der Kapitalisierungsfaktor wird mit Hilfe mathematischer Tabellen (siehe Rdn 237 f.) ermittelt, in denen Laufzeit, Zinsfuß und Zahlungsweise berücksichtigt sind, nicht aber individuelle Faktoren des Geschädigten (z.B. erkrankungsbedingte Vorversterblichkeit).
Rz. 228
Unterschiedliche Laufzeiten verschiedener Schadenarten sind gegebenenfalls durch Differenzfaktoren zu berücksichtigen. Siehe dazu Rdn 604 ff. und Beispiel 1.18 (Rdn 626).
c) Abzinsung künftiger Einmalzahlungen
Rz. 229
Hinweis
Siehe Rdn 26 f., § 6 Rdn 28 ff., ferner Rdn 235.
Rz. 230
Einmalaufwendungen, die erst in mehr oder weniger weit entfernter Zukunft liegen (z.B. behindertengerechtes Fahrzeug, endoprothetische Versorgung, Kur, Umschulung), werden durch Abzinsung des erst künftig für sie anfallenden Betrages bereits frühzeitig und vor Fälligke...