Rz. 59
Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung und muss zu ihrer Wirksamkeit somit dem Empfänger zugehen, § 130 Abs. 1 BGB.
Rz. 60
Unproblematisch ist der Zugang gegenüber Anwesenden. Das BGB regelt den Zugang unter Anwesenden nicht. Die Willenserklärung geht dem anwesenden Arbeitnehmer in dem Moment zu, in dem sie so in seinen Empfangsbereich kommt, dass der Empfänger unter regelmäßigen Umständen Kenntnis hiervon und vom Inhalt erlangen kann. Für den Zugang einer schriftlichen Kündigungserklärung unter Anwesenden ist nicht darauf abzustellen, ob der Empfänger die Verfügungsgewalt über das Schriftstück dauerhaft erlangt hat. Es genügt vielmehr die Aushändigung und Übergabe des Schriftstücks, sodass der Empfänger in der Lage ist, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Mit der Übergabe des Schriftstücks ist dem grundsätzlichen Interesse an rechtzeitiger Information, auf dem das Zugangserfordernis beruht, genügt. Wird die Kündigungserklärung somit dem anwesenden Arbeitnehmer übergeben, ist sie in dem Moment zugegangen, in dem dieser die Kündigungserklärung greifen kann. Ob er die Kündigung dann an sich nimmt oder liegen lässt, ist für den Zugang unerheblich. Selbst dann also, wenn der Arbeitnehmer auf der Originalkündigung den Empfang quittiert, selber dann aber nur eine Kopie erhält, ist die Kündigung zugegangen. Der Adressat einer persönlich übergebenen schriftlichen Kündigungserklärung kann ihren Zugang nicht dadurch hinauszögern oder verhindern, dass er den Brief ungeöffnet an den Überbringer zurückgibt.
Rz. 61
Praxishinweis
Mehr als die Frage des Zugangs ist an dieser Stelle die Frage der Beweislast praxisrelevant. Es empfiehlt sich daher stets, den Arbeitnehmer auf einer Kopie der schriftlichen Kündigungserklärung den Empfang der Kündigungserklärung quittieren zu lassen und in dem Fall, dass der Arbeitnehmer diese Quittung verweigert, einen Zeugen hinzuzuziehen. Dies schafft Rechtssicherheit.
Erfahrungsgemäß schrecken Arbeitnehmer davor zurück, im Zusammenhang mit dem Empfang einer Kündigung eine Unterschrift zu leisten. Es empfiehlt sich deshalb, die Empfangsquittung möglichst eindeutig als solche auszugestalten, um jeglichen Anschein zu vermeiden, dass der Arbeitnehmer hiermit auf irgendwelche Rechte verzichtet.
Die Praxis hat gezeigt, dass die folgende Formulierung zu einer erhöhten Akzeptanz der Empfangsquittung führt:
Empfangsbestätigung
Hiermit bestätige ich, die obige Kündigung heute im Original persönlich übergeben bekommen zu haben. Das Recht, gegen die Kündigung vorzugehen, behalte ich mir vor.
Ort, Datum
Für den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht bereit ist, den Empfang zu quittieren, empfiehlt sich die Übergabe unter Zeugen. Hierbei ist darauf zu achten, dass die anwesenden Zeugen auch Zeugeneigenschaft vor Gericht haben. Der Geschäftsführer einer GmbH ist kein tauglicher Zeuge.
Rz. 62
Unter Abwesenden geht die Kündigung dann zu, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann.
Rz. 63
Ein in den Wohnungsbriefkasten eingeworfener Brief geht in dem Zeitpunkt zu, in dem mit der Leerung des Briefkastens gerechnet werden kann oder – unabhängig davon – wenn der Arbeitnehmer die Kündigung dem Briefkasten entnimmt. Dies ist jedenfalls noch bis zum gewöhnlichen Postzustellungszeitpunkt der Fall. Wann dies ist, ist von Arbeitsgericht zu Arbeitsgericht unterschiedlich. Als Anhalt kann genommen werden, dass jedenfalls in Großstädten noch bei Einwurf bis 14.00 Uhr eines Werktags mit Kenntnisnahme noch am selben Tag gerechnet werden kann, im ländlicheren Bereich wird eher 12:00 Uhr angenommen. Etwaig seltene späte Zustellungen durch private Anbieter prägen in der Regel nicht die Verkehrsanschauung über die regelmäßige Leerung des Hausbriefkastens. Grundsätzlich muss der Einwurf in den Wohnungsbriefkasten erfolgen. Verfügt ein Haus mit mehreren Mietparteien aber über keine Briefkästen und erfolgt die Postzustellung üblicherweise durch Einwurf aller Sendungen in den dafür vorgesehenen Briefschlitz der Haustür (Hausbriefkasten), ist ein auf diesem Weg per Boten zugestelltes Kündigungsschreiben in den Machtbereich des Empfängers gelangt und diesem zugegangen. Ab dem Zeitpunkt des Zugangs trägt dann der Empfänger das Verlustrisiko, wobei aber je nach den Umständen eine Klagezulassung nach § 5 KSchG in Betracht kommen kann.
Rz. 64
Die Rechtsprechung zum Zugangszeitpunkt bei Einwurf in den Wohnungsbriefkasten hat den Ausgangspunkt, ob nach der Verkehrssitte noch an demselben Tag damit gerechnet werden kann, dass der Arbeitnehmer in seinen Briefkasten schaut. Dies soll nach Ansicht des BAG aus dem Jahre 1983 täglich letztmalig mit den allgemeinen Postzustellungszeiten der Fall sein. Nach der Privatisierung der Post, der Flexibilisierung der allgemeinen Zustellungszeiten (in Bürohäusern wird beispielsweise unter Berufung...