Rz. 71
Ein wichtiges Beweismittel bei der Verkehrsunfallbearbeitung ist die polizeiliche Ermittlungsakte. Unabhängig von den darin festgehaltenen Sach- und Personendaten gibt ein Einblick in die Ermittlungsakte häufig wichtige Hinweise darüber,
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wer den Unfall verursacht und verschuldet hat, |
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welche Unfallzeugen zur Verfügung stehen und |
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wie sie sich zum Unfallgeschehen geäußert haben. |
Auf eine Einsichtnahme kann deshalb in der Regel nicht verzichtet werden. Nichts ist peinlicher, als erst im Prozess zu bemerken, dass den Behauptungen des Mandanten über den angeblichen Unfallhergang Beweise entgegenstehen, die sich allein aus der polizeilichen Ermittlungsakte entnehmen lassen.
Rz. 72
Die für den Verkehrsunfall zuständige Polizeidienststelle bestimmt sich nach dem Ort des Unfallgeschehens und damit nach geographischen Gesichtspunkten. Ist die Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Polizeidienststellen einer Gemeinde nicht bekannt, kann sie über die Zentrale der zuständigen Polizei erfragt werden.
Rz. 73
Anfragen an die Polizeidienststelle über konkrete Unfalldaten verlaufen regelmäßig negativ, wenn der Unfall bereits einige Zeit zurückliegt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Akten nach dem Abschluss der polizeilichen Ermittlungen an die Ordnungsbehörde der Gemeinde oder die Staatsanwaltschaft abgegeben werden.
Rz. 74
Handelt es sich um einen Unfall minderschweren Ausmaßes, wird der Vorgang nach Abschluss der Ermittlungen an die für die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständige Ordnungsbehörde abgegeben. Dort wird geprüft, ob gegen die Beteiligten des Verkehrsunfalls ein Verwarnungs- oder Bußgeldverfahren durchgeführt wird. In diesem Fall sind Akteneinsichtsgesuche unmittelbar an die betreffende Ordnungsbehörde zu richten. Bei der Ordnungsbehörde erhält die Akte ein eigenes Aktenzeichen. Das Aktenzeichen kann bei der ehemals zuständigen Polizeidienststelle erfragt werden. Ist es dort nicht bekannt, ist eine telefonische Anfrage hinsichtlich des Aktenzeichens unmittelbar an die Ordnungsbehörde zu richten.
Rz. 75
Handelt es sich um einen schwerwiegenderen Verkehrsunfall, bei dem eine Verkehrsstraftat in Betracht kommt, ist die Polizeidienststelle verpflichtet, die Angelegenheit zur weiteren Bearbeitung an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Dort wird geprüft, ob und inwieweit ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen einen oder mehrere Beteiligte des Verkehrsunfalls durchzuführen ist. Eine Verkehrsstraftat kommt bereits in Betracht, wenn eine der am Unfall beteiligten Personen behauptet, bei dem Unfall einen Personenschaden erlitten zu haben. Hierfür reicht es theoretisch bereits aus, ein "Ziehen" im Nacken zu verspüren, was auf ein HWS-Syndrom zurückgeführt werden kann. Dann muss von der Staatsanwaltschaft geprüft werden, ob ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer fahrlässigen Körperverletzung einzuleiten ist.
Rz. 76
Auch das von der Staatsanwaltschaft vergebene Aktenzeichen kann u.U. bei der zunächst zuständigen Polizeidienststelle in Erfahrung gebracht werden. Ist es dort noch nicht bekannt, lässt es sich durch eine telefonische Anfrage bei der Eingangsstelle der zuständigen Staatsanwaltschaft ermitteln. Anknüpfungspunkte für die Ermittlung des staatsanwaltschaftlichen Aktenzeichens sind entweder der Eingang der Ermittlungsakte bei der Staatsanwaltschaft oder der bzw. die Namen der Beteiligten, gegen den oder die ein Ermittlungsverfahren durchgeführt wird.
Rz. 77
Wurde bereits ein Akteneinsichtsgesuch an die betreffende Polizeidienststelle gerichtet und befindet sich die Akte nunmehr bei der Ordnungsbehörde oder der Staatsanwaltschaft, erfordert dies kein nochmaliges Akteneinsichtsgesuch. Die Anfrage an die Polizei wird von dort stets an die Staatsanwaltschaft oder die Ordnungsbehörde weitergeleitet, sofern sie sich nicht bereits bei dem betreffenden Vorgang befindet.
Hinweis
Die Ermittlungsakten werden nicht von der Polizeidienststelle, sondern entweder von der Staatsanwaltschaft oder von der Ordnungsbehörde versandt. Nur letztere sind zur Versendung berechtigt. Anfragen oder Beschwerden wegen einer verzögerten Akteneinsicht sollten deshalb nicht an die Polizeidienststelle gerichtet werden.
Rz. 78
In der Regel werden die amtlichen Ermittlungsakten erst nach dem Abschluss der amtlichen Ermittlungen herausgegeben. Dies führt in der Praxis zu erheblichen Verzögerungen in der Schadenabwicklung. Verständlicherweise wird der zuständige Sachbearbeiter eines Kfz-Haftpflichtversicherers bei widersprüchlichen Angaben über den Schadenhergang oder bei fehlender Schadenanzeige des Versicherungsnehmers erst nach der Einsichtnahme in die amtlichen Ermittlungsakten in die Regulierung eintreten.
Rz. 79
Für die Anforderung der polizeilichen Ermittlungsakten sind folgende Daten erforderlich:
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Name und Adresse der Polizeidienststelle, |
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Name mindestens eines Unfallbeteiligten, |
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Aktenzeichen bzw. Tagebuch- oder Einsatzblattnummer der Polizeidienststelle oder |
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Angabe über Unfallort und ... |