Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 693
Eine ebenfalls verbreitete "Eigenkreation" bei Abstandsmessungen von Lkw ist der Einsatz von zur Geschwindigkeitsmessung entwickelten Handlasermessgräten (Riegl LR90–235-P, Riegl FG-21P, LTI 20.20, etc).
Rz. 694
Diese Messgeräte sind bestimmungsgemäß dazu geeignet, jeweils einem einzelnen Fahrzeug in einer bestimmten Entfernung einen Geschwindigkeitswert zuzuordnen – und damit auch um grundlegend festzustellen, ob bei einem nachfolgenden Lkw die zur Erfüllung des Tatbestandes erforderliche Mindestgeschwindigkeit von 50 km/h vorliegt.
Rz. 695
Ist außerdem, bspw. orientiert an den Leitlinienmarkierungen (übliche Markierungslänge Leitlinie + Zwischenraum = 18 m), eine Unterschreitung des Mindestabstandes von 50 m ersichtlich, so liegen zunächst alle erforderlichen Kriterien vor: ein Fahrzeug über 3,5 t, das mit mehr als 50 km/h auf einer Autobahn fährt und keinen Mindestabstand von 50 m einhält.
Rz. 696
Nachweise bzgl. der Kausalität der Abstandssituation, also ob diese durch ein Einscheren oder Verlangsamen des vorausfahrenden Fahrzeuges beeinflusst wurde, lassen sich auf diese Weise jedoch nicht führen. Ebenso können kaum Aussagen über die Entwicklung der Abstandssituation, bspw. hinsichtlich ablaufender Abstandsveränderungen, getroffen werden. Dennoch beschränken sich die Behörden in fast allen Fällen darauf, lediglich durch eine Einzelmessung am später beanzeigten Fahrzeug einen ausreichenden Geschwindigkeitswert nachweisen zu können.
Rz. 697
Nur selten wird zusätzlich durch eine zweite Messung sowohl die Geschwindigkeit des vorausfahrenden als auch die des beanzeigten Fahrzeuges ermittelt.
Rz. 698
Und nur in Ausnahmefällen ist durch mehrere Einzelmessungen am vorausfahrenden und am beanzeigten Fahrzeug zumindest der Versuch einer Geschwindigkeitsermittlung über eine gewisse Wegstrecke erkennbar.
Rz. 699
Unabhängig von der Ausprägung eines Beweisführungsversuches wird in der Regel auf eine Dokumentation der Messwerte verzichtet. Damit sind die Geschwindigkeiten des beanzeigten und des vorausfahrenden Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt üblicherweise weder belegt, noch können Geschwindigkeitsunterschiede zwischen diesen beiden Fahrzeugen nachvollzogen werden.
Rz. 700
Diesbezüglich wird von den Behörden oft angeführt, dass die eingesetzten Messbeamten instruiert worden waren, den Verkehrsfluss auf mögliche Geschwindigkeits- und Abstandsveränderungen zu beobachten.
Rz. 701
Zur Problematik der (optischen) Wahrnehmung von Geschwindigkeits- und Abstandsveränderungen führt das genannte Gutachten des Herrn Prof. Dr. Erwin Hartmann aus, dass Geschwindigkeits- und Abstandsänderungen "bei unmittelbarer kinetischer Wahrnehmung umso schwerer zu erkennen sind, je langsamer sie erfolgen". Es ist den Messbeamten daher selbst bei idealen Standortbedingungen kaum zuzumuten, entsprechende Abläufe tatsächlich erkennen zu können, insbesondere je weiter diese von der Beobachtungsposition des Messbeamten stattfinden.
Rz. 702
Zur visuellen Darstellung der Unterschreitung des einzuhaltenden Mindestabstandes werden von manchen Behörden zusätzlich Markierungen, bspw. auf dem Seitenstreifen, eingemessen. Analog zu den vorherigen Ausführungen bleibt in den meisten Fällen unklar, in welcher Art und mit welchen Hilfsmitteln diese Einmessungen stattfanden und ist festzustellen, dass die so markierte "Messstrecke" gewöhnlich wesentlich geringer als eine "nicht nur ganz vorübergehenden Wegstrecke" ist.
Rz. 703
Ebenso war eine Vielzahl der selbst gewählten Messörtlichkeiten im Bereich von Auf- und Abfahrten, an Steigungsstrecken oder auf Bergkuppen markiert, also dort, wo ladungsbedingte Geschwindigkeitsunterschiede bei Schwerlastverkehr besonders ausgeprägt sind.
Rz. 704
Neben den "methodischen Fehlern" bei der Ermittlung des Geschwindigkeits- und Abstandsniveaus der gegenständlichen Fahrzeuge in Annäherung an den behördlichen Messbereich sind gerade bei sonst nicht in der Verkehrsüberwachung eingesetzten Polizeibeamten oft auch Versäumnisse bei der technischen Dokumentation des Messablaufes feststellbar.
Rz. 705
So bleibt nach Aktenlage gewöhnlich unklar, ob das bei der Geschwindigkeitsmessung eingesetzte Messgerät zum Tatzeitpunkt einer gültigen Eichung unterlag, insbesondere, ob die eichamtlichen Sicherungen am Messgerät vor Messbeginn auf Unversehrtheit überprüft worden waren.
Rz. 706
Ferner kann oftmals nicht nachvollzogen werden, ob vor Messbeginn die durch den Hersteller vorgeschriebenen Funktionstests durchgeführt wurden oder die vorgeschriebene Verkehrsfehlertoleranz berücksichtigt ist.
Rz. 707
Auch die gelegentlich vorgenommenen Dokumentationen der beanzeigten Verkehrssituation anhand einer Lichtbildserie, gefertigt mit einer handelsüblichen Digitalkamera, sind gewöhnlich nicht geeignet, derartige Abstandsveränderungen aufzuzeigen bzw. widerlegen zu können.
Rz. 708
Verlangsamt der beanzeigte Lkw in gleichem Maße wie das ihm vorausfahrende Fahrzeug, sodass es zu keiner deutlichen Abstandsveränderung kommt, ist das "Beweismittel Lichtbildserie" v...