Julian Backes, Sven Eichler
Rz. 562
Im folgenden Fall befährt der Betroffene als Führer eines Lkw (zul. Gesamtgewicht über 3,5 t) zu Beginn der Videosequenz den mittleren von drei Fahrstreifen. Orientiert an den Fahrzeugabmessungen ist zu unterstellen, dass er den hinteren der rechts neben ihm fahrenden Lkw bereits überholt hat.
Abbildung 37: Die Bildausschnittvergrößerung zeigt die Verkehrssituation zu Beginn der Videosequenz; behördliches Bildmaterial
Im Verlauf der Videosequenz erreichen die Lkw das Ende einer vorherigen Steigungsstrecke (etwa 900 m lang und durchschnittlich 4 % steil). Der Betroffene beschreibt, dass die rechts fahrenden Lkw in Annäherung an die Kuppe wieder schneller wurden und ihn verbotswidrig rechts zurück überholt haben.
Dies wird durch die Eindrücke der Videosequenz sowohl optisch als auch technisch (für die vorausfahrenden Lkw ergibt sich im Zielbereich eine Geschwindigkeit von mehr als 90 km/h) gestützt.
Nachdem auch der hintere der beiden Lkw rechts vorbeigezogen ist, bricht der Betroffene seinen Überholvorgang ab und wechselt zurück auf den rechten Fahrstreifen (Abb. 39). Dieser Vorgang wird erst in weniger als 150 m Entfernung zur behördlichen 0 m-Markierung abgeschlossen.
Abb. 40 verdeutlicht, dass der Betroffene nach dem Durchfahren des Messbereichs mit der Identifizierungskamera aufgezeichnet und anschließend beanzeigt wurde (über die Fahrzeugfront und die Laufzeit lässt sich das Fahrzeug eindeutig dem eingescherten Lkw zuordnen).
Abbildung 38: beide Lkw auf dem rechten Fahrstreifen befinden sich vor dem Fahrzeug des Betroffenen; behördliches Bildmaterial
Abbildung 39: der Betroffene bricht den Überholvorgang ab und wechselt zurück auf den rechten Fahrstreifen. Dieser Vorgang wird erst in weniger als 150 m vor der 0 m-Markierung abgeschlossen sein; behördliches Bildmaterial
Abbildung 40: Aufnahme der Identifizierungskamera zur Verdeutlichung, dass der nach rechts gewechselte Lkw dokumentiert und beanzeigt wurde
Sowohl der Fahrstreifenwechsel des Betroffenen als auch die im Weiteren einsetzende Abstandsvergrößerung sind so prägnant, dass sie bei der Auswertung unmöglich verborgen geblieben sein können. Dies zeugt davon, dass beides vom Auswertepersonal, aber auch den im weiteren Verfahren beteiligten Personen, nicht als relevant angesehen wurde.
Im Ergebnis des Gutachtens wurde das Verfahren durch den Direktor des zuständigen Amtsgerichts eingestellt.
Hinweis
Die entsprechend der Auswertebeschreibung korrekt durchgeführte Auswertung führt im Nahbereich zu richtigen Messergebnissen, schließt aber nach wie vor die Problematik der Änderung von Geschwindigkeit und Abstand im Fernbereich nicht aus.
Rz. 563
Als positives Beispiel für den Umgang mit dem Messsystem VSTP soll hier der Messaufbau des Verkehrsüberwachungsdienstes Neumünster mit gleich vier Kameras genannt werden.
Die erste Kamera verfügt über ein Tele-Objektiv und dient der Erkennbarkeit von Fahrabläufen im Fernbereich, je nach Messstelle bis in mehr als 2 km Entfernung.
Abbildung 41: die Tele-Kamera lässt das Fahrverhalten des Betroffenen (blauer Pfeil) bis in mehr als 2 km Entfernung zur Messstelle nachvollziehen; behördliches Bildmaterial
Mit der zweiten Kamera werden die Fahrabläufe direkt vor bzw. im behördlich markierten Messbereich dokumentiert. In dieser Einstellung wird auch die Zeitinformation durch die Videostoppuhr geliefert, die zur Berechnung von Geschwindigkeit und Abstand benötigt wird.
Abbildung 42: der Betroffene (Pfeil) im Vorfeld des behördlich markierten Messbereiches (gegenüber der vorherigen Abbildung sind bereits 24 s vergangen); behördliches Bildmaterial
Mit der dritten Kamera, der Identifizierungskamera, erfolgt die Aufzeichnung von fahrzeug- und personenspezifischen Merkmalen (Kennzeichen und Fahrzeugführer).
Als Besonderheit betreibt der VÜD NMS darüber hinaus eine vierte Kamera, die die Fahrabläufe im rückwärtigen Bereich der Brücke, also nach dem Durchfahren des Messbereiches, dokumentiert. Somit kann etwa bei Lkw-Auswertungen ausgeschlossen oder bestätigt werden, dass sich im Zielbereich festgestellte Verstöße im Rahmen einer Überholabsicht ereigneten und die Abstandssituation unmittelbar nach dem Durchfahren des Messbereiches aufgelöst wurde.
Abbildung 43: Dokumentation des abfließenden Verkehrs, um Fahrabläufe nach dem Durchfahren des behördlichen Messbereiches erkennen zu lassen; behördliches Bildmaterial