Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 22
Durch die Antragstellung werden die bis dahin überreichten Schriftsätze in Bezug genommen; sie gelten gemäß § 137 ZPO als vorgetragen.
Eine Partei, die das vermeiden will, kann erklären, sie wolle bestimmte Schriftsätze oder bestimmte Teile von Schriftsätzen nicht vortragen. Sie kann auch schlechthin davon absehen zu verhandeln, indem sie keine Anträge stellt; sie gilt dann allerdings als säumig, § 333 ZPO.
Einzelne Schriftsätze oder Teile davon nicht vorzutragen, kann sich empfehlen, wenn die Schriftsätze erst so kurz vor dem Termin eingereicht worden waren, dass dem Gegner gemäß § 283 ZPO auf seinen Antrag vom Gericht Schriftsatznachlass einzuräumen wäre.
Wenn der Inhalt des verzögert eingereichten Schriftsatzes nach der eigenen Einschätzung des Anwaltes sowieso kaum entscheidungserheblich sein kann – der Schriftsatz lediglich überreicht wurde, um den Wünschen des Mandanten zu genügen –, kann es ratsam sein, auf den Vortrag dieses Schriftsatzes zu verzichten, um dem Gegner die Chance zu nehmen, noch nach dem Verhandlungstermin zur Sache vorzutragen. Zwar darf das Gericht – ohne erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, § 156 ZPO – nur das zur Grundlage seiner Entscheidung machen, was als Erwiderung auf den verspäteten Sachvortrag gewertet werden kann, also nicht gänzlich neues Vorbringen. Aber zum einen sind die Grenzen dessen fließend, was noch Erwiderung ist und nicht schon neuer Sachvortrag. Zum anderen erhöht sich das Risiko, dass der Gegner das Gericht dazu bewegt, gemäß § 156 ZPO aufgrund des neuen Vorbringens die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, weil es ohnehin wegen des Schriftsatznachlasses nicht sogleich entscheiden konnte, sondern erst den nachgelassenen Schriftsatz abwarten musste.
Rz. 23
Weigert sich eine Partei zu verhandeln, kann kein streitiges Urteil ergehen; es kommt nur ein Versäumnisurteil in Betracht, das einen entsprechenden Antrag der erschienenen Partei voraussetzt, §§ 330, 331 ZPO.
Die Weigerung zu verhandeln – also Anträge zu stellen –, kann z.B. darin ihren Grund haben, dass die Partei in die Säumnis fliehen möchte, weil sie befürchten muss, ihr Vorbringen werde wegen Verspätung keine Berücksichtigung mehr finden und dann gemäß § 531 Abs. 1 ZPO selbst für die Berufungsinstanz ausgeschlossen bleiben (Näheres dazu vgl. unter § 4 Rdn 42 ff.).
Die Weigerung kommt aber nach der Rspr. des BGH zu spät, wenn die Anträge bereits gestellt sind. Denn dann ist nach dieser Rspr. ein streitiges Urteil zu erlassen (das nur noch mit der Berufung angefochten werden kann), obwohl nach der Antragstellung nur noch einseitig verhandelt worden ist. Es ist deshalb eine beliebte – aber gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßende – Taktik mancher Gerichte, die Parteien an der Flucht in die Säumnis dadurch zu hindern, dass sie sie erst nach der Antragstellung darüber aufklären, dass ihr Vorbringen als verspätet oder unsubstantiiert zurückgewiesen werden könnte, vgl. § 2 Rdn 53 ff.
Rz. 24
Tritt eine Partei nicht auf, weil sie in die Säumnis fliehen will, kann der Gegner ihr den Weg zur Fortführung des Verfahrens in derselben Instanz dadurch versperren, dass er keinen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils stellt, sondern stattdessen eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragt, § 331a i.V.m. § 251a Abs. 2 ZPO. Voraussetzung ist aber, dass in der Sache in einem früheren Termin bereits einmal verhandelt worden ist. Die Entscheidung nach Lage der Akte kann nur mit der Berufung oder Revision in der nächsten Instanz angefochten werden, falls überhaupt ein solches Rechtsmittel zulässig ist. Aber es kann eben nicht – wie bei der Flucht in die Säumnis – durch den Einspruch gegen das Versäumnisurteil die Fortsetzung des Verfahrens in derselben Instanz erzwungen werden.
Rz. 25
Übrigens: So wie es Parteien gibt, die nicht verhandeln wollen, so gibt es auch Richter, die eine Verhandlung ablehnen, indem sie sich weigern, Anträge der Parteien zu Protokoll zu nehmen. Das kommt dann vor, wenn ein Richter einem neuen Antrag hilflos gegenübersteht und nicht weiß, wie er damit umzugehen hat, oder der Gegenanwalt von einem Antrag – z.B. einer auf eine negative Feststellungsklage gerichteten Widerklage – überrascht wird. Das Gericht kann sich aber rechtens nicht weigern, Anträge entgegenzunehmen. Mag ein Antrag auch unstatthaft oder sonst wie unzulässig sein, mag er verspätet oder auf keinen vollstreckungsfähigen Inhalt gerichtet sein: Das Gericht kann darüber entsprechend entscheiden. Es darf sich jedoch nicht weigern, Anträge überhaupt zu Protokoll zu nehmen. Die Weigerung des Gerichts verletzt den Justizgewährungsanspruch der Parteien.