Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 55
Schließen zwei Parteien beispielsweise einen Kaufvertrag, so wird – anders als etwa beim Werkvertrag – der Leistungsanspruch jedes Vertragspartners sofort fällig. Der Verkäufer kann den Käufer auf Zahlung in Anspruch nehmen, ohne dass er seine eigene Leistung erbracht haben müsste. Allerdings kann in diesem Fall der Käufer gemäß § 320 BGB gegenüber dem Zahlungsverlangen des Verkäufers die sogenannte "Einrede des nichterfüllten Vertrages" erheben. Diese Einrede bewirkt aber nicht, dass die Klage abzuweisen wäre, sondern dass der Beklagte verurteilt wird – wenn die Voraussetzungen für den Klageanspruch im Übrigen erfüllt sind –, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Lieferung der Kaufsache zu zahlen. Wird ein Geschäftsführer von einem Insolvenzverwalter wegen verbotswidrigen Zahlungen nach Insolvenzreife (vgl. § 64 GmbHG a.F. und § 15b InsO) in Anspruch genommen, kann sich der Geschäftsführer u.a. damit verteidigen, dass der Insolvenzverwalter ihm analog § 255 BGB Insolvenzanfechtungsansprüche der Masse gegen den Zahlungsempfänger abtreten oder er (ebenfalls gemäß § 255 analog) jedenfalls im Urteil vorbehalten werden muss, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter verfolgen zu können.
Hatte der Beklagte einen Antrag auf Abweisung der Klage schlechthin gestellt, sind beide Parteien teilweise mit ihren Anträgen unterlegen, und es werden beide anteilig mit den Kosten des Rechtsstreits belastet. Um diese Kostenbelastung zu vermeiden, ist es sowohl für den Kläger wie auch für den Beklagten wichtig, die richtigen Anträge zu stellen.
Denn das Gericht hat von Amts wegen eine Zug-um-Zug-Verurteilung auszusprechen, wenn dafür die materiellrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Die Zug-um-Zug-Verurteilung ist gegenüber der Verurteilung schlechthin ein minus, kein aliud.
Ebenso von Amts wegen hat es aber auch gemäß § 308 Abs. 2 ZPO über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.
Rz. 56
Hinweis
Wichtig ist im Hinblick auf die spätere Vollstreckung, dass der Kläger seinen Antrag bezüglich der Zug-um-Zug-Einschränkung so fasst, dass sie ihrerseits zum Gegenstand einer Leistungsklage gemacht werden könnte.
Rz. 57
Ein Beispiel aus der Praxis
V hat dem K einen Gebrauchtwagen verkauft. Jetzt streiten die Parteien darüber, ob sie sich auf einen Kaufpreis von 6.000 EUR oder auf 7.000 EUR geeinigt hatten. V will nicht liefern, wenn K ihm nicht 7.000 EUR zahlt, und K ist nicht bereit, die seiner Meinung nach geschuldeten 6.000 EUR zu zahlen, da V ihm dafür den Pkw nicht herausgeben will.
Damit überhaupt Bewegung in die Angelegenheit kommt, wird einer der Streitenden Klage erheben müssen.
Der Antrag des V als Kläger muss lauten:
"… den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger 7.000 EUR (nebst Zinsen) zu zahlen, Zug um Zug gegen Lieferung des Pkw …"
Der Antrag des Beklagten muss lauten:
"… die Klage abzuweisen, soweit der Kläger mehr begehrt als Zahlung von 6.000 EUR Zug um Zug gegen …"
Ergibt dann die Beweisaufnahme, dass von dem Beklagten tatsächlich nur 6.000 EUR geschuldet werden, wird entsprechend seinem Antrag entschieden und der Kläger allein mit den Kosten des Rechtsstreits belastet. Der Streitwert beträgt 7.000 EUR, obwohl sich die Parteien im Grunde nur um die Differenz von 1.000 EUR gestritten haben.
Rz. 58
Da die Vollstreckung aus einem Zug-um-Zug-Titel große praktische Schwierigkeiten macht – dem Schuldner muss bei der Vollstreckung die Gegenleistung angeboten werden –, empfiehlt es sich, diesem die Gegenleistung bereits vorher anzubieten und bei dessen Weigerung der Zug-um-Zug-Annahme auf Feststellung zu klagen, dass der Schuldner mit der Annahme in Verzug ist. Dann braucht die eigene Leistung bei der Vollstreckung von dem Vollstreckungsorgan dem Schuldner nicht mehr angeboten zu werden.