Rz. 106
Das angefochtene Urteil hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die von dem Polizeibeamten K. erlittene psychische Gesundheitsverletzung war dem Beklagten zuzurechnen und löste daher einen Schadensersatzanspruch gegen diesen aus § 823 Abs. 1 BGB aus, der gemäß § 72 Abs. 1 LBG Rheinland-Pfalz auf das klagende Land übergegangen war.
Rz. 107
Durch ein Geschehen ausgelöste psychische Störungen von Krankheitswert können eine Verletzung des geschützten Rechtsguts Gesundheit im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen (vgl. Senatsurt. vom 27.1.2015 – VI ZR 548/12, VersR 2015, 501 Rn 6; vom 20.5.2014 – VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263 Rn 8; vom 22.5.2007 – VI ZR 17/06, BGHZ 172, 263 Rn 12; vom 16.1.2001 – VI ZR 381/99, VersR 2001, 874, 875; vom 30.4.1996 – VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 344). Dies gilt selbstverständlich auch für psychische Störungen von Krankheitswert, die sich als Reaktion auf das Geschehen bei einem Amoklauf ergeben. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lag infolge des von dem Beklagten ausgelösten Geschehens vom 18.2.2010 bei dem Polizeibeamten K. eine Anpassungsstörung als Reaktion auf eine schwere seelische Belastung vor, die eine medizinische Behandlungsbedürftigkeit des K. zur Folge hatte. Erhöhte Anforderungen an das Vorliegen einer Gesundheitsverletzung, wie sie in Fällen sogenannter Schockschäden infolge des Todes oder der schweren Verletzung Dritter, namentlich naher Angehöriger, gestellt werden (vgl. nur Senatsurt. vom 10.2.2015 – VI ZR 8/14, VersR 2015, 590 Rn 9, 19; vom 27.1.2015 – VI ZR 548/12, VersR 2015, 501 Rn 7, jeweils m.w.N.), waren vorliegend nicht zu erfüllen. Der Polizeibeamte K. führte seine psychischen Beeinträchtigungen nicht mittelbar auf die Verletzung oder den Tod eines Dritten zurück, sondern darauf, dass er selbst unmittelbar dem Geschehen eines Amoklaufs ausgesetzt wurde und dieses psychisch nicht verkraften konnte.
Rz. 108
Für die Gesundheitsverletzung des Polizeibeamten K. war das Verhalten des Beklagten sowohl äquivalent als auch adäquat kausal.
Die geltend gemachte psychische Gesundheitsverletzung war dem Beklagten zuzurechnen. Die Gefahr, die sich in dieser Verletzung realisiert hatte, war nicht dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen. Der Umstand, dass sich ein berufsspezifisches Risiko des Polizeibeamten K. verwirklicht hatte, stand jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden der Zurechnung nicht entgegen.
Rz. 109
Der Zurechnungszusammenhang bedarf gerade in Fällen psychischer Gesundheitsbeeinträchtigungen einer gesonderten Prüfung (vgl. Senatsurt. v. 20.5.2014 – VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263 Rn 9; v. 22.5.2007 – VI ZR 17/06, BGHZ 172, 263 Rn 13 ff.; Stöhr, NZV 2009, 161, 163). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der verletzten Norm begrenzt wird. Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen worden ist. Hierfür muss die Norm den Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende Schädigungsart bezwecken; die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung bzw. der geltend gemachte Schaden müssen also auch nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen. Daran fehlt es in der Regel, wenn sich eine Gefahr realisiert hat, die dem allgemeinen Lebensrisiko und damit dem Risikobereich des Geschädigten zuzurechnen ist. Der Schädiger kann nicht für solche Verletzungen oder Schäden haftbar gemacht werden, die der Betroffene in seinem Leben auch sonst üblicherweise zu gewärtigen hat. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (s. nur Senatsurt. v. 20.5.2014 – VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263 Rn 10 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Rz. 110
In der psychischen Gesundheitsverletzung des Polizeibeamten K. hatte sich nicht lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht.
Rz. 111
Für Verkehrsunfälle hat der Senat entschieden, dass dem allgemeinen Lebensrisiko eine psychische Schädigung von Personen zuzuordnen ist, die an dem eigentlichen Unfallgeschehen nicht selbst beteiligt waren, deren Schädigung aus der bloßen Anwesenheit bei dem Unfallgeschehen herrührt und die mit den eigentlichen Unfallbeteiligten nicht in näherer Beziehung stehen (Senatsurt. vom 22.5.2007 – VI ZR 17/06, BGHZ 172, 263 Rn 14, 17). Demgegenüber hat der Senat die Haftpflicht eines Unfallverursachers in Fällen anerkannt, in denen der Geschädigte als direkt am Unfall Beteiligter eine psychische Gesundheitsverletzung erlitten hat. Maßgeblich für die Zurechnung war dabei, dass der Schädiger dem Geschädigten die Rolle eines unmittelbaren Unfallbeteiligten aufgezwungen hat und dieser das Unfallgeschehen psychisch nicht verkraften konnte (Senatsurt. v. 12.11.1985 – VI ZR 103/84, VersR 1986, 240, 242; vgl. Senatsurt. v. 22.5.2007 – VI ZR 17/06, BGHZ 172, 263 Rn 14). Nichts anderes hat für eine aufgezwungene unmittelbare Beteiligung des Geschädigten an einem Geschehen zu gelten, das durch eine vorsätzl...