Rz. 143
Die Revision stellte die Bewertung der körperlichen Schäden des Klägers durch das Berufungsgericht nicht in Frage. Mit Erfolg machte sie jedoch geltend, dass die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine haftungsrechtliche Zurechnung seiner psychischen Schäden verneint hatte, nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats stand.
Rz. 144
Zutreffend war allerdings der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, dass der Schädiger grundsätzlich auch für eine psychische Fehlverarbeitung als haftungsausfüllende Folgewirkung des Unfallgeschehens einzustehen hat, wenn eine hinreichende Gewissheit besteht, dass diese Folge ohne den Unfall nicht eingetreten wäre. In dem für die Zurechnung psychischer Schäden grundlegenden Senatsurt. v. 30.4.1996 (BGHZ 132, 341 [343 ff.] = VersR 1996, 990 [991]) hat der erkennende Senat ausgeführt, die Zurechnung solcher Schäden scheitere auch nicht daran, dass der Verletzte infolge körperlicher oder seelischer Anomalien oder Dispositionen besonders schadensanfällig sei, weil der Schädiger keinen Anspruch darauf habe, so gestellt zu werden, als habe er einen bis dahin Gesunden verletzt.
Rz. 145
Soweit der Senat in diesem Urteil jedoch näher dargelegt hat, in welchen Fällen der haftungsrechtlichen Zurechnung solcher Schäden Grenzen gesetzt seien, hatte das Berufungsgericht die hierfür entwickelten Grundsätze verkannt und im Streitfall die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Haftung auf der Grundlage unzureichender Tatsachenfeststellungen bejaht. Dabei ließen die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht klar erkennen, ob es eine Zurechnung der Haftung unter dem Blickpunkt eines Bagatellschadens oder einer Begehrensneurose verneinen wollte. In beiden Fällen vermochte jedoch die Begründung das angefochtene Urteil nicht zu tragen.
Rz. 146
Soweit das Berufungsgericht darauf abhob, dass es sich um einen Unfall mit ganz geringfügigen Verletzungsfolgen handele und die psychische Reaktion des Klägers hierauf in einem groben Missverhältnis zum Anlass stehe und nicht mehr verständlich sei, sprach es zwar eine Fallgruppe an, für die nach den im Senatsurt. v. 30.4.1996 (a.a.O.) dargelegten Grundsätzen die haftungsrechtliche Zurechnung des Schadens ausgeschlossen sein kann, nämlich diejenigen Fälle, in denen das schädigende Ereignis im Sinn einer Bagatelle ganz geringfügig ist.
Rz. 147
Mit Recht wandte sich die Revision jedoch gegen die Annahme, der vorliegende Unfall sei als Bagatellfall im Sinn jener Grundsätze anzusehen. Da es sich bei dieser Haftungsbegrenzung ersichtlich um eine Ausnahme von der an sich mit dem Schadensereignis verbundenen haftungsrechtlichen Zurechnung handelt, sind an die Annahme eines Bagatellfalls strenge Anforderungen zu stellen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts ließen nicht erkennen, dass es sich dieses Grundsatzes bewusst war. Die tatsächlichen Feststellungen vermochten denn auch die Beurteilung des schädigenden Ereignisses als völlig geringfügig nicht zu tragen.
Rz. 148
Zwar war insoweit lediglich auf die vom Kläger bei dem Unfall erlittene Primärverletzung abzustellen. Diese konnte jedoch nicht als geringfügig im Sinn eines Bagatellschadens bezeichnet werden. Das Berufungsgericht ging nämlich von einer Schädelprellung mit HWS-Schleudertrauma aus. Auch wenn diese Verletzungen organisch folgenlos ausgeheilt sein mochten, waren sie jedenfalls bei ihrer Entstehung nicht so unerheblich, wie dies für einen Ausnahmefall im dargelegten Sinn erforderlich gewesen wäre. Für die Frage, wann Verletzungen derart geringfügig sind, dass sie ausnahmsweise den Ausschluss der Haftung für psychische Folgeschäden nach sich ziehen können, müssen nämlich die gleichen Grundsätze gelten, die der BGH zu der ebenfalls nur ausnahmsweise geltenden Versagung des Ersatzes von immateriellem Schaden gem. § 847 BGB bei Bagatellverletzungen entwickelt hat.
Rz. 149
Danach kann bei geringfügigen Verletzungen des Körpers oder der Gesundheit ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lebensführung und ohne Dauerfolgen eine Entschädigung versagt werden, wenn es sich nur um vorübergehende, im Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigungen des Körpers oder des seelischen Wohlbefindens handelt. Damit sind also Beeinträchtigungen gemeint, die sowohl von der Intensität als auch der Art der Primärverletzung her nur ganz geringfügig sind und üblicherweise den Verletzten nicht nachhaltig beeindrucken, weil er schon aufgrund des Zusammenlebens mit anderen Menschen daran gewöhnt ist, vergleichbaren Störungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt zu sein (Senatsurt. v. 14.1.1992 – VI ZR 120/91, VersR 1992, 504 [505]).
Rz. 150
Über ein derartiges Schadensbild gingen aber die vorliegend festgestellten Verletzungen des Klägers offensichtlich hinaus, weil eine Schädelprellung mit HWS-Schleudertrauma für das Alltagsleben nicht typisch, sondern regelmäßig mit einem besonderen Schadensfall verbunden ist und vorliegend die Verletz...