Rz. 3
Das Berufungsurteil war schon insoweit nicht haltbar, als es überhaupt eine durch die Unfallnachricht ausgelöste echte Gesundheitsstörung (vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1965 – VI ZR 260/63, VersR 1966, 283, 285 ff.; OLG Freiburg JZ 1953, 709, 705) bei der Klägerin bejaht hatte.
Rz. 4
Das geltende Recht versagt bewusst – von hier nicht einschlägigen Sonderfällen abgesehen – einen Anspruch für Schäden durch zugefügten seelischen Schmerz, sofern dieser nicht wiederum eine Auswirkung der Verletzung des (eigenen) Körpers oder der (eigenen) Gesundheit ist. Mit dieser Entscheidung des Gesetzgebers ist es zwar vereinbar, dass ein selbstständiger Schadensersatzanspruch demjenigen zusteht, bei dem eine ungewöhnliche, "traumatische" Auswirkung des Unfallerlebens oder der Unfallnachricht sich in einer echten körperlichen oder geistig/seelischen Gesundheitsschädigung verwirklicht. Auch der Umstand, dass diese ungewöhnliche Erlebnisreaktion im Einzelfall nur auf der Grundlage einer vorgegebenen organischen oder seelischen Labilität möglich gewesen sein mag, dem Unfallerleben also nur eine auslösende Wirkung zukam, steht – unbeschadet der von der Rechtsprechung für die Sonderfälle der Zweckneurosen und der überholenden Ursächlichkeit entwickelten Grundsätze – der Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs nicht entgegen. Andererseits gilt es zu beachten, dass nach allgemeiner Erkenntnis und Erfahrung ein starkes negatives Erlebnis, das Empfindungen wie Schmerz, Trauer und Schrecken hervorruft, regelmäßig physiologische Abläufe und seelische Funktionen in oft sehr empfindlicher Weise stört. Schon solche Störungen als Gesundheitsbeschädigungen i.S.d. Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB anzuerkennen, wäre mit der verbindlichen Entscheidung des Gesetzes nicht vereinbar. Vielmehr ist jedenfalls bei den Fällen, in denen die psychisch vermittelte gesundheitliche Beeinträchtigung vom Täter nicht gewollt war, unabhängig von der herkömmlichen Adäquanzformel eine Beschränkung auf solche Schäden erforderlich, die nicht nur in medizinischer Sicht, sondern auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit betrachtet werden. Deshalb müssen unter Umständen auch Beeinträchtigungen ersatzlos bleiben, die zwar medizinisch erfassbar sind, aber nicht den Charakter eines solchen "schockartigen" Eingriffs in die Gesundheit tragen; so können die oft nicht leichten Nachteile für das gesundheitliche Allgemeinbefinden, die erfahrungsgemäß mit einem tief empfundenen Trauerfall verbunden sind, regelmäßig keine selbstständige Grundlage für einen Schadensersatzanspruch bilden.
Rz. 5
Der Prüfung nach diesen Grundsätzen hielt das Berufungsurteil nicht stand.
Der Sachverständige hatte lediglich in allgemeiner Form den Eintritt eines "schweren seelischen Schocks" bestätigt, wobei seine unmittelbar anschließenden Ausführungen sogar Zweifel erweckten, ob er damit den medizinischen Befund des Hausarztes bestätigen wollte. Von weiter gefragten Begleiterscheinungen hat er keine bejaht, sie vielmehr im Rahmen seiner eigenen Beobachtungsmöglichkeit verneint. Dem Berufungsgericht konnte nicht gefolgt werden, wenn es schon aus dieser Bekundung des Sachverständigen ohne Rückfrage eine anspruchsbegründende Gesundheitsschädigung der Klägerin entnehmen will.
Rz. 6
Mit einem "schweren seelischen Schock" bezeichnet die Umgangssprache eine heftige reaktive Gemütsbewegung, die keinen Krankheitscharakter aufzuweisen braucht. Der ärztlichen Terminologie ist der Begriff des Schocks als psychopathologischer Zustand fremd. Der pathologische Begriff des "Schocks" bezeichnet – wenn man vom Sonderfall der "Schocktherapie" absieht – lediglich eine akute Kreislaufstörung (vgl. hierzu Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, Stichwort "Schock"), die mitunter auch durch ein Unfallerlebnis (weniger durch eine bloße Unfallnachricht) ausgelöst werden kann. Dieser Prozess ist seiner Natur nach vorübergehend, kann aber zu bleibenden organischen Schäden führen. Dass der Gutachter dergleichen bekunden wollte, war nicht ersichtlich.
Rz. 7
Daneben kann ein Unfallereignis (und weniger häufig wohl auch eine Unfallnachricht) auch zu psycho-pathologischen Auswirkungen führen, die in der Medizin als Neurose (nicht notwendig eine nicht entschädigungspflichtige Zweckneurose) oder in schweren Fällen auch als "Psychose" eingeordnet werden. Dass der Sachverständige ein solches Krankheitsbild feststellen wollte (insbesondere nicht nur nicht ausschließt, was für den der Klägerin obliegenden Beweis nicht genügen würde), lässt sein Gutachten bisher gleichfalls nicht erkennen.
Damit konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, soweit es der Klägerin einen eigenen Schadensersatzanspruch zubilligte.
Rz. 8
Das Berufungsgericht durfte bei der neuerlichen Prüfung der Klage auch teilweise nur stattgeben, wenn es sich – ggf. aufgrund ergänzender Befragung des Sachverständigen – überzeugen konnte, dass die Unfallnachricht bei der Klägerin über noch im Bereich normaler Reaktion liegend...