Rz. 179
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung können durch ein Geschehen ausgelöste psychische Störungen von Krankheitswert eine Gesundheitsverletzung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB darstellen. Handelt es sich bei den psychisch vermittelten Beeinträchtigungen nicht um schadensausfüllende Folgewirkungen einer Verletzung, sondern treten sie haftungsbegründend durch die psychische Reaktion auf ein (Unfall)Geschehen ein, wie dies beispielsweise in den sogenannten Schockschadensfällen regelmäßig und bei Aktual- oder Unfallneurosen häufig der Fall ist, so kommt eine Haftung nur in Betracht, wenn die Beeinträchtigungen selbst Krankheitswert besitzen, also eine Gesundheitsbeschädigung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB darstellen. Dies gilt auch für psychische Störungen von Krankheitswert, die sich als Reaktion auf das Geschehen bei einem konflikthaften Polizeieinsatz ergeben. Erhöhte Anforderungen an das Vorliegen einer Gesundheitsverletzung, wie sie in Fällen sogenannter Schockschäden infolge des Todes oder der schweren Verletzung Dritter, namentlich naher Angehöriger, gestellt werden, sind allerdings vorliegend nicht zu erfüllen. Der Polizeibeamte N. führte seine psychische Beeinträchtigung nicht mittelbar auf die Verletzung oder den Tod eines Dritten zurück, sondern darauf, dass er selbst unmittelbar an der konflikthaften Ingewahrsamnahme des Beklagten beteiligt war und dass dieses Geschehen seine psychischen Beeinträchtigungen hervorgerufen hat.
Rz. 180
Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, ein Anspruch sei deshalb zu verneinen, weil es an dem für eine Haftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen den Handlungen des Beklagten und der geltend gemachten Gesundheitsverletzung fehle, da sich in der Erkrankung des Polizeibeamten N. lediglich ein spezifisches Berufsrisiko verwirklicht habe.
Rz. 181
Der Zurechnungszusammenhang wird in Fällen psychischer Gesundheitsbeeinträchtigungen einer besonderen Prüfung unterzogen. Daran fehlt es in der Regel, wenn sich eine Gefahr realisiert hat, die dem allgemeinen Lebensrisiko und damit dem Risikobereich des Geschädigten zuzurechnen ist. Der Schädiger kann nicht für solche Verletzungen oder Schäden haftbar gemacht werden, die der Betroffene in seinem Leben auch sonst üblicherweise zu gewärtigen hat. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten. Die Schadensersatzpflicht findet ferner dort eine Grenze, wo sich bei wertender Betrachtung in der psychischen Gesundheitsverletzung zwar nicht das allgemeine Lebensrisiko, aber sonst ein der Sphäre des Verletzten zuzurechnendes Risiko verwirklicht.
Rz. 182
Verneint wurde der Zurechnungszusammenhang bei psychischen Beeinträchtigungen vor diesem Hintergrund etwa dann, wenn der Geschädigte das schadensauslösende Ereignis in neurotischem Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass nimmt, den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen (Begehrensneurose), ebenso im Fall der psychischen Gesundheitsverletzung einer Mutter aufgrund der Nachricht über eine schwere Erbkrankheit des Vaters der gemeinsamen Kinder. Entsprechendes kann gelten, wenn das schädigende Ereignis ganz geringfügig ist (Bagatelle), nicht gerade speziell eine Schadensanlage des Verletzten trifft und die psychische Reaktion deshalb im konkreten Fall schlechterdings nicht mehr verständlich ist, weil sie in grobem Missverhältnis zum Anlass steht. Für den bereits angesprochenen Bereich der sogenannten "Schockschäden" nicht nahestehender Personen ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung darüber hinaus anerkannt, dass es an dem für eine Schadensersatzpflicht erforderlichen Schutzzweckzusammenhang fehlt, wenn der Dritte, auf dessen Tod oder schwere Verletzung die psychischen Beeinträchtigungen des Betroffenen zurückgehen, diesem nicht persönlich nahesteht; auch insoweit verwirklicht sich allein ein – dem Schädiger nicht zurechenbares – allgemeines Lebensrisiko. So hat der Senat auch eine psychische Schädigung von Polizeibeamten, die auf die bloße Anwesenheit bei einem schrecklichen Ereignis – Verbrennen mehrerer Pkw-Insassen nach einem Verkehrsunfall – zurückgeführt wurde, dem allgemeinen Lebensrisiko zugeordnet. Dagegen hat der Senat eine Haftung des Unfallverursachers in Fällen anerkannt, in denen der Geschädigte als direkt am Unfall Beteiligter infolge einer psychischen Schädigung eine schwere Gesundheitsstörung erlitten hat. Maßgeblich für die Zurechnung war in diesen Fällen, dass der Schädiger dem Geschädigten die Rolle eines unmittelbaren Unfallbeteiligten aufgezwungen hat und dieser das Unfallgeschehen psychisch nicht verkraften konnte. Eine solche aufgezwungene unmittelbare Beteiligung hat der Senat auch für die an den Tatort eines Amoklaufs beorderten Polizeibeamten angenommen und ihre infolge der unmittelbaren Beteiligung eingetretene psychische Gesundheitsverletzung nicht mehr dem allgemeinen Lebensrisiko zugeordnet.
Rz. 183
Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist das Risiko einer psychischen Gesundheitsverle...