Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 47
Ausschlussklauseln, insbesondere in Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen, zwingen den Arbeitnehmer geradezu in Folgeprozesse. Der in einer Kündigungssache mit der Prozessführung beauftragte Rechtsanwalt muss erkennen oder durch Befragung ermitteln, dass der Arbeitnehmer auch ein finanzielles Interesse, gerichtet auf Ausgleich eines ihm zwischenzeitlich entstandenen und künftig entstehenden Entgeltausfalles, verfolgt. Dazu muss er prüfen, ob für die Geltendmachung der Entgeltansprüche tarifvertragliche oder auf andere Weise vereinbarte Ausschlussfristen gelten. Dabei sollte der Rechtsanwalt des Arbeitnehmers nach dem Inkrafttreten des Nachweisgesetzes von der Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen oder vom schriftlichen Arbeitsvertrag ausgehen können. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG kann der Arbeitnehmer sich allerdings nicht darauf verlassen, dass der Arbeitgeber die Folgen einer unrichtigen oder unterbliebenen Dokumentation der aktuellen wesentlichen Vertragsbedingungen zu tragen hat.
Rz. 48
Der Gesetzgeber eröffnet keinen rechtlichen Weg, über den nicht tarifgebundene Arbeitnehmer an Tarifverträge gelangen können. Die Rechtsprechung sieht weder in § 7 TVG noch in §§ 2, 3 Nachweisgesetz ein Schutzgesetz und lässt Ausschlussfristen ohne Kenntnis der Arbeitsvertragsparteien laufen. Dies verstößt gegen europäisches Recht, sichert allerdings die Macht der Verbände. Eine Änderung dieser Praxis ist nicht in Sicht. Hier wäre der Gesetzgeber gefordert, eine Regelung zu schaffen, um die erheblichen Ungewissheiten und Risiken zu beseitigen.
Rz. 49
Das BAG hat zu zweistufigen Ausschlussfristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers entschieden, dass mit dem Erheben einer Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmer alle durch die Kündigung bedrohten, regelmäßig fällig werdenden Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis schriftlich geltend mache (Wahrung der ersten Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist) und die Erhebung der Kündigungsschutzklage genüge, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern (Wahrung der zweiten Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist). Die Entscheidung bezog sich allerdings nur auf zweistufige Ausschlussfristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers, nicht auf tarifliche, individuell ausgehandelte oder durch betriebliche Übung oder in sonstiger Weise vorhandene Ausschlussfristen. Deshalb kann die Rechtslage im Einzelfall unsicher sein. Der Rechtsanwalt muss seinen Mandanten den sichersten Weg empfehlen. Kein Weg zur Wahrung von Ausschlussfristen ist so sicher wie die Erhebung von Zahlungsklagen. Somit scheint es überzeugend, dass der Mandant keine Obliegenheit gegenüber der Rechtsschutzversicherung verletzt, wenn er separate Aufträge für die Folgemandate vergibt.
Rz. 50
Rechtsschutzversicherungen fordern, bitten oder regen an, Zahlungsklagen zurückzustellen. Gerade rechtsschutzversicherte Mandanten erwarten, dass der Anwalt nicht im Kosteninteresse der Rechtsschutzversicherung Risiken eingeht. Allerdings ist die Übernahme von Kostenrisiken nach dem Eintritt eines Versicherungsfalls das Risiko, das die Rechtsschutzversicherung vertraglich übernommen hat und wofür sie regelmäßig seit Jahren Versicherungsprämien erhalten hat. Von Rechtsschutzversicherungen wird dagegen auf § 15 Abs. 1d ARB 1975/§ 17 Abs. 5c ARB 1994 (ARB 2000) verwiesen. Der Rechtsanwalt sollte dem Mandanten deutlich machen, dass er mit der Zurückstellung ein Risiko eingeht und mit ihm absprechen, wer dieses Risiko zu tragen hat, wenn es sich realisiert. Durch ein solches Gespräch lassen sich die Haftungsrisiken minimieren. Rechtsschutzversicherer übernehmen dieses Risiko, wenn man sie entsprechend deutlich darauf hinweist, regelmäßig nicht, sondern gewähren schließlich Deckungsschutz für die Zahlungsansprüche.