Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruchsverfall nach § 22 des (allgemeinverbindlichen) RTV-Gebäudereinigung. Schadensersatz wegen Verletzung der Nachweispflicht. anwaltliches Mitverschulden
Leitsatz (amtlich)
Zur Schadensverteilung nach § 254 BGB, wenn einerseits der Arbeitgeber weder die gesetzliche Nachweispflicht nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG erfüllt noch dem Arbeitnehmer einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit den notwendigen Angaben (§ 2 Abs. 4 NachwG) ausgehändigt hat und andererseits der anwaltlich beratene Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Geltendmachung von Ansprüchen innerhalb der tariflichen Ausschlussfristen (i. c. aufgrund Unkenntnis der Existenz bzw. Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages) versäumt hat.
Normenkette
BGB §§ 280, 286, 615; TVG §§ 4, 8; NachwG § 2; BGB § 254
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 17.01.2005; Aktenzeichen 9 Ca 8905/04) |
Tenor
Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom17.01.2005 und Zurückweisung der Berufungim Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 15.100,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins aus jeweils 1.000,00 EUR ab 16.09.2003, 16.10.2003, 17.11.2003, 16.12.2003, 16.01.2004, 16.02.2004, 16.03.2004, 16.04.2004, 17.05.2004, 16.06.2004 und aus jeweils 1.700,00 EUR ab 16.07.2004, 16.08.2004 und 16.09.2004 zu zahlen.
Die Kosten erster Instanz tragen der Kläger zu 4/9 und die Beklagte zu 5/9, die Kosten des Berufungsverfahrens der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger erhebt an eine Kündigung anschließende Annahmeverzugsansprüche. Die Beklagte wendet im wesentlichen den tariflichen Verfall der Ansprüche ein.
Der Kläger wurde am 03.01.2002 als Glasreiniger von der Beklagten, die sich einige Jahre in S. als Inhaberin eines Gebäudereinigungsbetrieb betätigte und bis zu zwei Arbeitnehmer beschäftigte, zu einem Monatslohn von Euro 1.700,00 brutto eingestellt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht geschlossen. Die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk, insbesondere der Rahmentarifvertrag, waren im Betrieb der Beklagten nicht ausgelegt. Die Parteien wussten nichts von deren Existenz.
Nachdem die Beklagte unter Berufung auf ein Kündigungsschreiben vom 16.07.2003 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend machte, reichte der anwaltlich vertretene Kläger, der den Zugang der Kündigung bestritt, im August 2003 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Essen (Geschäftsnummer 4 Ca 4088/03) gegen die Beklagte ein. Durch Urteil vom 18.03.2004 gab das Arbeitsgericht der Bestandsschutzklage statt. Die hiergegen eingelegte Berufung nahm die Beklagte am 06.07.04 zurück.
Mit der am 14.09.2004 eingereichten und am 18.09.2004 zugestellten Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung des Verzugslohns für die Zeit von Juli 2003 bis August 2004 in Anspruch genommen und den Gesamtforderungsbetrag auf Euro 27.200,00 brutto beziffert. Nach Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Düsseldorf hat das Gericht in der Güteverhandlung, zu der die Beklagte nicht erschienen ist, den anwaltlich vertretenen Kläger auf die Ausschlussfristen des RTV-Gebäudereinigerhandwerk und die Möglichkeit eines unechten Versäumnisurteils hingewiesen. Durch Urteil vom 17.01.2005 hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass dahin stehen könne, ob die Ansprüche tariflich verfallen seien, weil die Aktivlegitimation des Klägers zweifelhaft sei, nachdem er in der Verhandlung erklärt habe, (mittlerweile) Arbeitslosengeld zu beziehen, und insoweit seine Ansprüche gemäß § 115 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen seien.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung ermäßigt der Kläger seine Forderung auf Euro 22.100,00 brutto (13 Monate [01.08.2003 bis 31.08.2004] × Euro 1.700,00) und begründet seine Aktivlegitimation mit der – unter dem 22./ 23.03.2005 seitens der Bundesagentur für Arbeit erfolgten – Rückabtretung der auf diese übergegangenen (Erstattungs-)Ansprüche.
Er beantragt,
unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.01.2005 die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 22.100,00 nebst fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.08.2003, 01.09.2003, 01.10.2003, 01.12.2003, 01.01.2004, 01.02.2004, 01.03.2004, 01.04.2004, 01.006.2004, 01.07.2004 und 01.08.2004 aus jeweils 1.700,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Mit der Berufung verfolgt der Kläger die Zahlungsklage in Höhe von Euro 22.100,00 brutto weiter.
Nachdem der Kläger in erster Instanz den Lohn für 14 Monate (einschließlich Juli 2003) verlangt und die Gesamtforderung im Klageantrag mit Euro 27.200,00 und in der Klagebegründung mit Euro 20.400,00 angegeben hat, greift er das klagabweisende Urteil des Arbeitsgerichts ...