Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Ausschlussfrist. gerichtliche Geltendmachung. Schadensersatz wegen Verletzung des Nachweisgesetzes. anwaltliches

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Schadensersatzanspruch in Höhe tariflich verfallenen Arbeitsentgelts ist dann begründet, wenn der Entgeltanspruch nur wegen Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre. Dabei kommt bei der Prüfung der adäquaten Verursachung dem Arbeitnehmer die Vermutung eines aufklärungsgemäßen Verhaltens zugute, so dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass jedermann bei ausreichender Information seine Eigeninteressen in vernünftiger Weise wahrt. Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 NachwG ist demnach zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die tarifliche Ausschlussfrist beachtet hätte, wenn er auf die Geltung des Tarifvertrages hingewiesen worden wäre.

2. Weisen die Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess den Arbeitnehmer nicht auf geltende Ausschlussfristen hin, liegt ein dem Arbeitnehmer zurechenbares Mitverschulden am eingetretenen Schaden vor.

 

Normenkette

TVG §§ 5, 8; NachwG § 2; BGB §§ 254, 280, 286, 611, 615

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 01.02.2006; Aktenzeichen 3 Ca 2643/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 01.02.2006 – 3 Ca 2643/05 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.861,00 EUR brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 4.627,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.06.2005 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.643,50 EUR brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 788,02 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.06.2005 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.643,50 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.07.2005 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.643,50 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.08.2005 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des 1. Rechtszuges zu einem Streitwert von 11.993,10 EUR tragen der Kläger zu 22 % und die Beklagte zu 78 %.

Von den Kosten des 2. Rechtzuges zu einem Streitwert von 8.706,10 EUR tragen der Kläger 30 % und die Beklagte 70 %.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus Annahmeverzug.

Der am 10.10.1971 geborene Kläger, der verheiratet und vier Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, war seit dem 03.02.2003 bei der Beklagten, die ein Unternehmen der Industriereinigung betreibt, als Reinigungskraft zu einem Bruttomonatsverdienst von 1.643,50 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kam kraft Allgemeinverbindlicherklärung der Rahmentarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung (im Folgenden: RTV-Gebäudereinigung) zur Anwendung.

Mit Schreiben vom 29.06.2004 hatte die Beklagte das mit dem Kläger begründete Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.07.2004 gekündigt. Hiergegen hatte sich der Kläger – anwaltlich vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren – mit seiner beim Arbeitsgericht in dem Verfahren 6 Ca 2476/04 am 30.07.2004 eingegangenen Klage zur Wehr gesetzt und zugleich einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung gestellt. Nachdem das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 22.09.2004 die Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen hatte, hat es mit Urteil vom 09.02.2005 der Klage stattgegeben. Ihre hiergegen eingelegte Berufung hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht in dem Verfahren 17 Sa 457/05 am 08.08.2005 zurückgenommen. In diesem Termin hatte die Beklagte erstmalig auf den RTV-Gebäudereinigung hingewiesen.

Nachdem die Beklagte das mit dem Kläger begründete Arbeitsverhältnis nunmehr mit Schreiben vom 19.04.2006 erneut gekündigt hat, haben sich die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 04.05.2006 verständigt.

Bereits zuvor, nämlich mit Schreiben vom 16.02.2005, hatte der Kläger, der für die Zeit von August 2004 bis einschließlich Mai 2005 Arbeitslosengeld in Höhe von kalendertäglich 25,42 EUR, mithin insgesamt 7.728,90 EUR bezogen hatte, die Beklagte aufgefordert, an ihn rückständige Vergütung für die Monate August 2004 bis Januar 2005 in Höhe von monatlich 1.615,00 EUR zu zahlen.

Mit der beim Arbeitsgericht am 11.08.2005 im vorliegenden Verfahren eingegangenen Klage, die der Beklagten am 19.08.2005 zugestellt worden ist, hat der Kläger rückständige Vergütung für die Zeit von August 2004 bis Juli 2005 in Höhe von monatlich 1.643,50 EUR, mithin insgesamt 19.722,00 E...

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