Rz. 11

Die EUEheVO 2003 gilt im Hinblick auf ihren sachlichen Anwendungsbereich nach Art. 1 (ungeachtet der Art der Gerichtsbarkeit) für Zivilsachen – in all ihren Teilen verbindlich und unmittelbar (Art. 72 S. 3 EUEheVO 2003) – mit folgenden Gegenstandsbereichen:

Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung einer Ehe (Ehesachen – Art. 1 Abs. 1 lit. a EUEheVO 2003) sowie
Zuweisung, Ausübung, Übertragung sowie vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung (Verfahren über die elterliche Verantwortung – Art. 1 Abs. 1 lit. b EUEheVO 2003). Entsprechende Verfahren über die elterliche Verantwortung betreffen nach Art. 1 Abs. 2 EUEheVO 2003 insbesondere das Sorgerecht und das Umgangsrecht (lit. a),[15] die Vormundschaft, die Pflegschaft und entsprechende Rechtsinstitute (lit. b), die Bestimmung und den Aufgabenbereich jeder Person oder Stelle, die für die Person oder das Vermögen des Kindes verantwortlich ist, es vertritt oder ihm beisteht (lit. c), die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder in einem Heim (lit. d) sowie die Maßnahmen zum Schutz des Kindes im Zusammenhang mit der Verwaltung und Erhaltung seines Vermögens oder der Verfügung darüber (lit. e).
 

Rz. 12

Art. 1 Abs. 1 EUEheVO 2003 ist dahin auszulegen, dass eine Entscheidung, die die sofortige Inobhutnahme und die Unterbringung eines Kindes außerhalb der eigenen Familie anordnet, unter den Begriff "Zivilsachen" i.S. dieser Bestimmung fällt, wenn die Entscheidung im Rahmen des dem öffentlichen Recht unterliegenden Kinderschutzes ergangen ist.[16] Die Regelung ist auch dahin auszulegen, dass eine einheitliche Entscheidung, die die sofortige Inobhutnahme und die Unterbringung eines Kindes außerhalb der eigenen Familie in einer Pflegefamilie anordnet, unter den Begriff der "Zivilsachen" i.S. dieser Bestimmung fällt, wenn die Entscheidung im Rahmen des dem öffentlichen Recht unterliegenden Kinderschutzes ergangen ist.[17]

[15] Der Begriff "Umgangsrecht" in lit a (sowie nach Art. 2 Nr. 7 und 10 EUEheVO 2003) ist dahin auszulegen, dass er das Umgangsrecht der Großeltern mit ihren Enkelkindern umfasst: EuGH NJW 2018, 2034 = FamRZ 2018, 1083.
[16] EuGH FamRZ 2009, 217 = IPRax 2011, 76 – Ls. 1.
[17] EuGH FamRZ 2008, 125 = IPRax 2008, 509.

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