Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 149
Das am 1.6.1970 beschlossene Haager Übereinkommen über die Anerkennung von Scheidungen und Trennungen von Tisch und Bett ist (bei 20 Vertragsstaaten) in folgenden europäischen Staaten in Kraft getreten: Albanien, Dänemark, Estland, Finnland, Italien, Luxemburg, der Republik Moldau, den Niederlanden, Norwegen, Polen (seit dem 24.6.1996 u.a. im Verhältnis zur Schweiz und zu Norwegen), Portugal, Schweden, Schweiz, der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republik, dem Vereinigten Königreich und Zypern. Das Übereinkommen ist von der Bundesrepublik bisher nicht gezeichnet worden. Weiterhin ist es in Ägypten und Australien in Kraft getreten.
Es gilt nach seinem Art. 1 Abs. 1 für Scheidungen und Trennungen von Tisch und Bett, die in einem Vertragsstaat – dem Entscheidungsstaat – in einem gerichtlichen oder anerkannten anderen Verfahren wirksam ausgesprochen worden sind, erfasst nach Art. 1 Abs. 2 aber weder
▪ |
Schuldaussprüche noch |
▪ |
Nebenentscheidungen (bspw. über den Unterhalt oder die elterliche Sorge). |
Rz. 150
Die internationale Anerkennungszuständigkeit findet eine detaillierte Regelung in den Art. 2 bis 5.
Rz. 151
Nach Art. 6 Abs. 1 dürfen, wenn der Beklagte im Verfahren aufgetreten ist, die tatsächlichen Feststellungen, auf deren Grundlage die internationale Entscheidungszuständigkeit angenommen wurde, nicht mehr nachgeprüft werden. Art. 6 Abs. 2 verbietet eine Verweigerung der Anerkennung mit der Begründung, dass nach dem materiellen Recht des Anerkennungsstaates (d.h. des Staates, in dem die Anerkennung begehrt wird) eine Scheidung oder Trennung nicht erlaubt ist – gleichermaßen weil der Entscheidung ein materielles Recht zugrunde liegt, das vom IPR des Anwendungsstaates nicht berufen war. Nach Art. 6 Abs. 3 ist zudem eine revison au fond (mithin eine tatsächliche oder rechtliche Nachprüfung der Scheidung oder Trennung von Tisch und Bett) ausgeschlossen.
Rz. 152
Eine Anerkennung der Scheidung darf gem. Art. 7 nur dann verweigert werden, wenn beim Ausspruch der Scheidung beide Ehegatten Staaten angehörten, die keine Scheidung kennen. Eine Verweigerung der Anerkennung ist zudem statthaft, wenn
▪ |
der Beklagte nicht ordnungsgemäß geladen bzw. im Verfahren behindert wurde (Art. 8) oder |
▪ |
die Scheidung (bzw. die Trennung von Tisch und Bett) mit einer früheren Entscheidung im Widerspruch steht, die im Anerkennungsstaat erlassen bzw. anerkannt worden ist (Art. 9). |
Rz. 153
Unter Bezugnahme auf den ordre public sind Anerkennungen nur bei offenbaren Verletzungen des ordre public verweigerbar (Art. 10). Die Verweigerung einer Wiederheirat in einem Staat, der eine Scheidung anerkennen muss, ist gem. Art. 11 nicht deshalb statthaft, weil ein anderer Staat die Scheidung nicht anerkennt. Wird in einem anderen Vertragsstaat über den Ehestatus eines Ehegatten ein Prozess geführt, darf nach Art. 12 ein Scheidungs- oder Trennungsverfahren ausgesetzt werden. Konstellationen einer räumlichen oder persönlichen Rechtsspaltung in einem Vertragsstaat finden in den Art. 13 ff. eine detaillierte Regelung.
Rz. 154
Hinweis: Ein sich in Vorbereitung befindendes entsprechendes neues Abkommen – Überarbeitung der EuGVO mit dem Ziel der Schaffung einheitlicher kollisionsrechtlicher Regelungen für das Eherecht in Gestalt des Vorschlags einer Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 220/2003 (Brüssel IIa-VO) im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Änderungen von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich (Einführung einheitlicher kollisionsrechtlicher Normen für die Scheidung in der EU) – ist am Widerstand einiger EU-Staaten gescheitert.
Rz. 155
Auch das Haager Ehescheidungsabkommen (Haager Abkommen zur Regelung des Gestaltungsbereichs der Gesetze und der Gerichtsbarkeit auf dem Gebiete der Ehescheidung und der Trennung von Bett und Tisch) vom 12.6.1902 ist im Verhältnis zu Deutschland seit dem 1.6.1934 außer Kraft.