Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
1. Anwendungsbereich
Rz. 339
Das Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (HUnthVÜ) – das nach Inkrafttreten des HUntVollstrÜbK 2007 (siehe Rdn 265 ff.) nur noch im Verhältnis zu den Staaten weiter gilt, die nur dieses (d.h. das HUntVÜ 1973 und noch nicht das HUntVollstrÜbK 2003) ratifiziert haben und nicht EU-Mitgliedstaat sind – ist nach seinem Art. 1 anzuwenden auf Entscheidungen über Unterhaltspflichten aus Beziehungen der Familie, Verwandtschaft, Ehe oder Schwägerschaft, einschließlich der Unterhaltspflicht gegenüber einem nichtehelichen Kind (d.h. auf alle Formen des Familienunterhalts), die von Gerichten oder Verwaltungsbehörden eines Vertragsstaates erlassen worden sind, entweder
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zwischen einem Unterhaltsberechtigten und einem Unterhaltsverpflichteten oder |
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zwischen einem Unterhaltsverpflichteten und einer – öffentliche Aufgaben wahrnehmenden – Einrichtung, die die Erstattung der einem Unterhaltsberechtigten erbrachten Leistung verlangt. |
Rz. 340
Das Übereinkommen ist auch anzuwenden auf Vergleiche auf diesem Gebiet, die vor diesen Behörden und zwischen diesen Personen geschlossen worden sind. Es ist nach Art. 2 HUnthVÜ auch auf Entscheidungen und Vergleiche ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung anzuwenden, ebenso wie auf Entscheidungen oder Vergleiche, durch die eine frühere Entscheidung oder ein früherer Vergleich geändert worden ist, selbst wenn diese Entscheidung oder dieser Vergleich aus einem Nichtvertragsstaat stammt. Das HUnthVÜ ist ohne Rücksicht darauf, ob der Unterhaltsanspruch international oder innerstaatlich ist, und unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien anzuwenden. Betrifft die Entscheidung oder der Vergleich nicht nur die Unterhaltspflicht, so bleibt nach Art. 3 HUnthVÜ die Wirkung des Übereinkommens auf die Unterhaltspflicht beschränkt.
2. Anerkennung und Vollstreckung
Rz. 341
Die in einem Vertragsstaat ergangene Entscheidung ist nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 1 HUnthVÜ in einem anderen Vertragsstaat anzuerkennen oder für vollstreckbar zu erklären bzw. zu vollstrecken. Die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung darf nur bei Vorliegen eines der in Art. 5 HUnthVÜ normierten Gründe versagt werden.
Rz. 342
Nach Art. 13 HUnthVÜ richtet sich das Verfahren der Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung nach dem Recht des Vollstreckungsstaates, sofern das Übereinkommen nicht etwas anderes bestimmt.
Rz. 343
Die im Ursprungsstaat vollstreckbaren Vergleiche sind unter denselben Voraussetzungen wie Entscheidungen anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären bzw. zu vollstrecken, soweit diese Voraussetzungen auf sie anwendbar sind (Art. 21 HUnthVÜ). Das HUnthVÜ schließt nach seinem Art. 23 nicht aus, dass eine andere internationale Übereinkunft zwischen dem Ursprungsstaat und dem Vollstreckungsstaat oder das nicht vertragliche Recht des Vollstreckungsstaates angewendet wird, um die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung oder eines Vergleichs zu erwirken. Jeder Vertragsstaat kann gem. Art. 25 HUnthVÜ jederzeit erklären, dass er in seinen Beziehungen zu den Staaten, die dieselbe Erklärung abgegeben haben, alle vor einer Behörde oder einer Urkundsperson errichteten öffentlichen Urkunden, die im Ursprungsstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, in das Übereinkommen einbezieht, soweit sich dessen Bestimmungen auf solche Urkunden anwenden lassen. Eine entsprechende Erklärung nach Art. 25 HUnthVÜ zur Einbeziehung öffentlicher Urkunden auf der Grundlage der Gegenseitigkeit hatten die Bundesrepublik Deutschland, die Niederlande und Schweden abgegeben.
Rz. 344
Nach Art. 26 Abs. 1 HUnthVÜ kann jeder Vertragsstaat sich nach Art. 34 HUnthVÜ das Recht vorbehalten, weder anzuerkennen noch für vollstreckbar zu erklären bzw. zu vollstrecken:
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Entscheidungen und Vergleiche über Unterhaltsleistungen, die ein Unterhaltsverpflichteter, der nicht der Ehegatte oder der frühere Ehegatte des Unterhaltsberechtigten ist, für die Zeit nach der Eheschließung oder nach dem vollendeten 21. Lebensjahr des Unterhaltsberechtigten schuldet (Nr. 1); von einem Vorbehalt nach Nr. 1 hatten Dänemark, Finnland, Portugal, Schweden und die Schweiz Gebrauch gemacht; |
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Entscheidungen und Vergleiche in Unterhaltssachen (Nr. 2) zwischen Verwandten in der Seitenlinie (lit. a; bzw. zwischen Verschwägerten lit. b); einen Vorbehalt zu Nr. 2 lit. a und b hatten die Bundesrepublik Deutschland und Australien, Dänemark, Estland, Finnland, Luxemburg, Norwegen, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, die Tschechische Republik, die Türkei und das Vereinigte Königreich erklärt. Die Niederlande hatten lediglich einen Vorbehalt nach Nr. 2 lit. a, Portugal ... |