Rz. 12

Die Zeit des wachsenden Handels und der Ausbildung reicher, städtischer Handelsfamilien erforderte auch angepasste rechtliche Strukturen.[40] Es bildeten sich Gesellschaften, beispielsweise die auf Verträgen beruhende der Fugger.

Es ist umstritten, ob die offene Handelsgesellschaft der Fugger in ihrer Ursprungsform mit der fortgesetzten Erbengemeinschaft identisch ist. Die OHG wäre nach der befürwortenden Ansicht eine durch mehrere Generationen hindurch fortgesetzte Ganerbschaft gewesen.

Dagegen spricht zum einen der Erbfall der Mutter Barbara, nach dem die fortgesetzte Erbengemeinschaft neben der ausschließlich von den Brüdern geführten Handelsgesellschaft bestand. Zum anderen ergeben die unter den Brüdern geschlossenen Verträge für die Regelung der Geschäftstätigkeit insbesondere hinsichtlich Vertretung und Haftung ein anderes Bild. Die Gesellschaft orientierte sich an dem in Italien entwickelten Institut der "compagnia". Die "compagnia" war eine Handelsgesellschaftsform, die sich aus der Familiengesellschaft gelöst hatte, deren genauer Ursprung aber unsicher ist.[41]

Schon mit dem im Jahre 1502 zwischen den drei Brüdern geschlossenen Gesellschaftsvertrag wurden detaillierte Regelungen für den Fall des Todes eines Gesellschafters vereinbart. Die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft sollte durch einen Erbfall und die sich damit unter Umständen ergebene Beteiligung einer Mehrheit von Erben nicht beeinträchtigt werden. Die erbberechtigten Laien-Söhne traten als Gesellschafter ein, hafteten auch unbeschränkt, blieben aber von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen. Der überlebende der drei Brüder wurde alleiniger Geschäftsführer.[42]

Eng abgestimmt mit den Gesellschaftsverträgen wurden die Testamente der Familienmitglieder. In ihnen wurden die Verträge und Testamente von Vorfahren ausgiebig zitiert. Die Einhaltung und der Vollzug der Regelungen wurden den Erben zur Auflage gemacht. Die enge Verzahnung hielt das Familienvermögen trotz der Erbgänge zusammen.[43]

 

Rz. 13

Im 16. Jahrhundert entstanden Fideikommissbestimmungen. In umfangreichen "Familienverträgen" wurden erb- und gesellschaftsrechtliche Regelungen zusammengefasst, um das Vermögen und damit die Machtfülle der Fugger gebündelt zu erhalten. Testamente flankierten die Fideikommissbestimmungen.[44] In anderen (besonders italienischen) Familien wurde ähnlich vorgegangen, um die Handelsgeschäfte besser flächenmäßig auszudehnen, über Generationen zusammenzuhalten und auch das Risiko zu begrenzen.[45] Durch Hausgesetze wurden zudem schon seit dem 14. Jahrhundert familien- und erbrechtliche Regelungen außerhalb der bürgerlichen Normen getroffen, etwa bei den Hohenzollern und den Habsburgern.[46]

Die wachsende wirtschaftliche Dynamik in der deutschen frühen Neuzeit beeinflusste so auch das Erbrecht. Die zum Vermögensaufbau notwendige Kontinuität über Erbfälle hinaus erforderte Anpassungen beim Recht der Erbengemeinschaft. Wie am Beispiel der Fugger gezeigt werden konnte, ging ein Weg hin zur Ausformung von Gesellschaften, um einen Vermögensbestand vom Nachlass zu trennen. Diese waren noch eng an die Familie gebunden und ähnelten Ganerbengemeinschaften. Da das Erbrecht der Familienmitglieder nicht vollständig ausgeschlossen werden konnte, mussten die gesellschaftsrechtlichen Verträge genau mit den Testamenten abgestimmt und durch diese gestützt werden. Daran hat sich bis heute nichts geändert: Die Vermögensnachfolge muss bei unternehmerisch gebundenen Vermögen besonders sorgfältig abgestimmt werden. Insbesondere bei der Nachfolge von Erbengemeinschaften kann es sonst für Unternehmen zu existenzbedrohenden Situationen kommen.

 

Rz. 14

Ein "erbrechtliches Eigenleben" führte weitgehend die bäuerliche Bevölkerung.[47] In den Kodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts wurden sie vielfach nicht beachtet. Die Erbfolge wurde stattdessen oft durch Verträge geregelt. Höfe blieben nach alter Sitte zugunsten eines Kindes meist ungeteilt. Die anderen Kinder gingen mit einem geringen Abfindungsgeld oft leer aus, "zumal sie auf dessen Auszahlung nicht selten Jahre, ja Jahrzehnte lang warten" mussten.[48]

[40] Vgl. auch schon zur Entwicklung in den Städten des Mittelalters: Bader/Dilcher, S. 503 f.
[41] Auch zum Meinungsstand: Simnacher, S. 62–68; vgl. zudem Fleischer, NZG 2017, 1201.
[42] Simnacher, S. 65.
[43] Simnacher, S. 65 f.
[44] Simnacher, S. 68 ff.
[45] Vgl. ausführlich: Fleischer, NZG 2017, 1201, 1203.
[46] Fleischer, NZG 2017, 1201, 1205.
[47] Bader/Dilcher, S. 241.
[48] Bader/Dilcher, S. 240 f.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge