Rz. 9
Zitat
BGB § 249 Abs. 2 S. 1
a) |
Ein Unfallgeschädigter kann (fiktiv) die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiternutzt und es zu diesem Zweck – falls erforderlich – verkehrssicher (teil-)reparieren lässt. |
b) |
Vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist kann der Geschädigte, der sein Fahrzeug tatsächlich repariert oder reparieren lässt, Reparaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, regelmäßig nur ersetzt verlangen, wenn er den konkret angefallenen Reparaturaufwand geltend macht. |
a) Der Fall
Rz. 10
Der Kläger machte gegen die Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 25.5.2008 geltend, bei dem das Kraftfahrzeug des Klägers beschädigt wurde. Die volle Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Das Fahrzeug war seitens des Klägers zunächst über die Volkswagen Bank finanziert worden. Nach einem vom Kläger eingeholten Sachverständigengutachten belief sich der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs auf 39.000 EUR brutto (32.733,10 EUR netto), der Restwert auf 18.000 EUR und die geschätzten Reparaturkosten auf 23.549,54 EUR brutto (19.789,35 EUR netto). Die Beklagte zu 2 erstattete dem Kläger insgesamt einen Betrag von 9.883,11 EUR, wobei sie den Wiederbeschaffungsaufwand aus dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs vor dem Unfall unter Abzug eines Restwerts von 22.890 EUR zugrunde legte. Den Restwert hatte sie aufgrund des Restwertangebots aus einer Internet-Restwertbörse ermittelt, an das der Bieter bis zum 31.7.2008 gebunden war. Der Kläger führte die Reparatur des Fahrzeugs – nachdem er es bei der Volkswagenbank abgelöst hatte – in Eigenregie durch und veräußerte das Fahrzeug am 15.10.2008 zu einem Preis von 32.000 EUR.
Der Kläger begehrte Schadensersatz auf Reparaturkostenbasis, den er ursprünglich wie folgt berechnet hatte: Reparaturkosten netto 19.789,35 EUR, Wertminderung 3.000 EUR, Kostenpauschale 25 EUR, Sachverständigenkosten 1.338,04 EUR und Nutzungsausfall 1.738 EUR, abzüglich des von der Beklagten zu 2 zunächst gezahlten Betrages von 6.941,93 EUR. Die auf den geltend gemachten Restanspruch von 18.948,36 EUR gerichtete Klage hat er im Laufe des erstinstanzlichen Rechtsstreits um die Kosten des Sachverständigengutachtens ermäßigt, nachdem die Beklagte zu 2 diese direkt an den Sachverständigen gezahlt hatte. Gleichzeitig hat er die Klage in Höhe von 1.288,58 EUR wegen auf seinem Girokonto angefallener Sollzinsen erhöht. Hinsichtlich der während des Rechtsstreits gezahlten weiteren 2.941,18 EUR haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Rz. 11
Das Landgericht hat dem Kläger in der Hauptsache weitere 4.976,88 EUR sowie restliche vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 61,88 EUR zuerkannt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus weitere 9.692,26 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufungen der Parteien zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgten die Beklagten ihren Antrag, die Klage bis auf einen Betrag von 25 EUR abzuweisen, weiter.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 12
Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats kann ein Unfallgeschädigter fiktiv die vom Sachverständigen geschätzten (über dem Wiederbeschaffungsaufwand liegenden) Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiter nutzt und es zu diesem Zweck – falls erforderlich – verkehrssicher (teil-)reparieren lässt (vgl. Senatsurt. v. 29.4.2003 – VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395 ff.; v. 23.5.2006 – VI ZR 192/05, BGHZ 168, 43 ff. und v. 29.4.2008 – VI ZR 220/07, VersR 2008, 839). Im Streitfall waren die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensabrechnung nicht erfüllt, da der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das unfallgeschädigte Fahrzeug bereits vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist weiterverkauft hatte.
Rz. 13
Zwar kann der Geschädigte, der sein Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt, grundsätzlich auch vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist die Erstattung der konkret angefallenen Reparaturkosten verlangen, wenn diese den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen (Senatsurt. v. 5.12.2006 – VI ZR 77/06, VersR 2007, 372). Im Streitfall begehrte der Kläger jedoch nicht die Erstattung der konkreten Kosten der tatsächlich durchgeführten Reparatur, sondern er wollte – ebenso wie der Geschädigte in dem dem Senatsurteil v. 29.4.2008 (VI ZR 220/07, a.a.O.) zugrunde liegenden Fall – seinen Schaden fiktiv auf der Basis der vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten berechnen, obwohl er das Fahrze...