Rz. 48
Zitat
BGB § 249
Der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte, der seinen Fahrzeugschaden mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zunächst auf der Grundlage des vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungsaufwands abrechnet, ist an diese Art der Abrechnung nicht ohne weiteres gebunden. Er kann – im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung – die höheren Kosten einer nunmehr tatsächlich durchgeführten Reparatur des beschädigten Fahrzeugs verlangen, sofern sich nicht aufgrund der konkreten Umstände des Regulierungsgeschehens etwas Abweichendes ergibt.
a) Der Fall
Rz. 49
Die Beklagten hafteten als Halter eines Kraftfahrzeugs und dessen Haftpflichtversicherer dem Kläger in vollem Umfang für die Folgen eines Verkehrsunfalls, der sich am 1.6.2004 ereignet hatte.
Rz. 50
Ein vorprozessual beauftragter Kraftfahrzeugsachverständiger ermittelte in seinem Gutachten vom 7.6.2004 Reparaturkosten von ca. 9.550 EUR brutto, den Wiederbeschaffungswert mit 7.900 EUR brutto (abzgl. 2 % = 7.745 EUR netto) und den Restwert mit 3.185 EUR brutto (Zahlen zur Vereinfachung leicht verändert). Dieses Gutachten ist von den Parteien nicht angegriffen worden.
Rz. 51
In einem früheren Rechtsstreit hatte der Kläger die Differenz zwischen dem Netto-Wiederbeschaffungswert (7.745 EUR) und dem Restwert (3.185 EUR), also den Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 4.560 EUR geltend gemacht. Der Kläger hat die Klage in jenem Verfahren zurückgenommen, nachdem die Beklagte zu 2 den geltend gemachten Betrag gezahlt hatte.
Rz. 52
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger nunmehr die Regulierung des Schadens auf Reparaturkostenbasis und legte dazu zwei Rechnungen einer Reparaturwerkstatt über 1.200 EUR und über 7.130 EUR, zusammen 8.330 EUR, vor. Unter Anrechnung der Differenz aus dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert in Höhe von 4.560 EUR errechnete er sich einen weiteren Schaden in Höhe von 3.770 EUR (Zahlen zur Vereinfachung leicht verändert).
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 53
Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Geschädigte an die von ihm getroffene Wahl der gemäß § 249 Abs. 1 und 2 BGB möglichen Abrechnungsvarianten gebunden sei. Der Kläger sei deshalb daran gehindert, seinen Schaden nach durchgeführter Regulierung auf der Basis der Wiederbeschaffungskosten auf Reparaturkostenbasis abzurechnen.
Dagegen wandte sich die Revision mit Erfolg. Der mit der vorliegenden Klage vom Kläger geltend gemachte Anspruch konnte nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden.
Rz. 54
Die Ansicht, nach Regulierung des Wiederbeschaffungsaufwandes könnten nunmehr tatsächlich aufgewendete höhere Reparaturkosten nicht mehr geltend gemacht werden, war in der vom Berufungsgericht angenommenen Allgemeinheit unrichtig. Eine Bindung lässt sich für den Fall, dass nach der fiktiven Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis das Fahrzeug alsdann doch repariert wird und nun die konkreten (höheren) Reparaturkosten geltend gemacht werden, weder aus dem Gesetz noch aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats herleiten, auch nicht aus dem Urt. v. 23.3.1976 (BGHZ 66, 239, 246), in dem diese Frage offen gelassen wurde.
Rz. 55
Auch im Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens sind alternativ zum Wiederbeschaffungsaufwand Reparaturkosten ersatzfähig, die den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs in Grenzen (bis 30 %) übersteigen, wenn sie konkret angefallen sind oder wenn der Geschädigte nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert hat, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt, sofern die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat; andernfalls ist die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt.
Rz. 56
Bei der Ersatzbeschaffung und der Reparatur des beschädigten Fahrzeugs handelt es sich um gleichwertige Arten der Naturalrestitution, zwischen denen der Geschädigte innerhalb der oben aufgezeigten Grenzen wählen kann. Dabei handelt es sich indes nicht um eine Wahlschuld i.S.d. § 262 BGB, denn der Schädiger schuldet nicht mehrere nach Wahl zu erbringende Leistungen, sondern Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) bzw. den dazu erforderlichen Geldbetrag (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB). Selbst diese gesetzlich vorgesehene Alternative stellt keine Wahlschuld, sondern eine Ersetzungsbefugnis dar. Verlangt der Geschädigte den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag, so kann er diesen in dem aufgezeigten Rahmen auf der Basis einer Ersatzbeschaffung oder einer Reparatur berechnen. Insoweit handelt es sich lediglich um unterschiedliche Arten der Schadensberechnung.
Rz. 57
Inwiefern der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB an die Wahl gebunden ist, bedurfte hier keiner Entscheidung. Ob der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag auf Wiederbeschaf...