Dr. K. Jan Schiffer, Eberhard Rott
Rz. 67
Die weitaus überwiegende Anzahl von Haftpflichtprozessen gegen Testamentsvollstrecker wird von den Erben initiiert. Dieser Umstand lässt sich bereits aus der besonderen psychologischen Konfliktsituation heraus erklären:
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Auf der einen Seite fühlen sich viele Erben gegängelt, wenn der Erblasser Testamentsvollstreckung anordnet, und übertragen ihren Unwillen dann auf die Person des Testamentsvollstreckers. |
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Auf der anderen Seite schöpfen Testamentsvollstrecker mitunter die ihnen durch den Erblasser in die Hand gegebene Machtfülle im Verhältnis zu den Erben in unsensibler Weise aus. |
In solchen Situationen sind Streitigkeiten beinahe zwangsläufig vorgegeben:
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Solange eine Testamentsvollstreckung noch läuft, führen die Streitigkeiten meist zu einem Amtsenthebungsverfahren nach § 2227 BGB. |
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Scheitert ein solches Verfahren, kann der Testamentsvollstrecker fast sicher sein, dass die Erben nach Abschluss der Testamentsvollstreckung mit aller Akribie nach weiteren Pflichtverletzungen suchen werden, um ihn schadenersatzpflichtig zu machen. |
Rz. 68
Die erste und zugleich sehr wirkungsvolle Schutzmaßnahme gegen einen Schadenersatzprozess ist daher der zwar bestimmte, aber vertrauensvolle Umgang mit den Erben.
Dazu gehört auch, dass der Testamentsvollstrecker, der bekanntlich nicht zur Ausschlagung des Erbes befugt ist, den Erben erforderlichenfalls Informationen zur Ausschlagungsentscheidung gibt. Auch sollte er den Erben zügig die Unterlagen und Informationen zur Verfügung stellen, die diese benötigen, um ihrer Auskunftsverpflichtung gegenüber Pflichtteilsberechtigten nachkommen zu können.
Praxis- und Gestaltungshinweis
Aus § 2213 Abs. 1 S. 3 BGB folgt, dass der Testamentsvollstrecker für die Abwicklung der Pflichtteilsansprüche nicht zuständig ist. Dieser Umstand ist oftmals nicht bekannt. Unabhängig davon führt er zu Konfliktpotenzial zwischen Testamentsvollstrecker und Erben. Es ist daher grundsätzlich zu empfehlen, den Testamentsvollstrecker mit einer sog. Pflichtteilsvollmacht auszustatten, damit die Nachlassabwicklung aus einer Hand erfolgen kann.
Rz. 69
Der etwaige Schadenersatzanspruch gegen den Testamentsvollstrecker wird entsprechend § 2041 S. 1 BGB als Surrogat dem Nachlass zugehörig angesehen. Bei mehreren Erben ist er deshalb von diesen gemeinschaftlich geltend zu machen (§§ 2039, 2040 BGB). Anderes gilt allerdings, wenn nur ein Erbe geschädigt wurde.
Rz. 70
Der Testamentsvollstrecker ist als Nachlassschuldner von der Vertretung des Nachlasses ausgeschlossen. Ist ein Nachfolger des schädigenden Testamentsvollstreckers bestimmt, unterliegt die Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs der Erben gegen den früheren Testamentsvollstrecker seiner Befugnis.
Hinweis zur Haftung des Erben für Pflichtverletzungen des Testamentsvollstreckers
Bei Fehlern des Testamentsvollstreckers im Rahmen der Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten haftet der Erbe über § 278 BGB mit. Mit der schrankenlosen Zulassung der geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckung durch unqualifizierte und nicht versicherte Testamentsvollstrecker nach dem RDG droht daher Gefahr sowohl für den Erblasser als auch den Erben. Die Wahl eines qualifizierten Testamentsvollstreckers ist somit für beide von besonderer Bedeutung.
Nach h.M. kann der Vermächtnisnehmer seinen Schadenersatzanspruch gegen den Testamentsvollstrecker selbst geltend machen, ohne vorher den Erben (der eigentlich Schuldner der gehörigen Erfüllung des Vermächtnisanspruchs ist) in Anspruch nehmen zu müssen.