Dr. K. Jan Schiffer, Eberhard Rott
Rz. 13
Eine Testamentsvollstreckung liegt insbesondere im Zusammenhang mit einer Unternehmensnachfolge nahe. Dieses Tätigkeitsfeld ist angesichts der regelmäßig höheren Werte, um die es dabei geht, typischerweise auch besonders lukrativ.
Es gibt keinen feststehenden Begriff der "Unternehmensnachfolge". Typischerweise wird darunter der Übergang der Unternehmerstellung – insbesondere eines einzelkaufmännischen Unternehmens oder einer Gesellschaftsbeteiligung – an einen Nachfolger verstanden.
Rz. 14
Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn schätzt seit Beginn der 1990er Jahre in regelmäßigen Abständen die Anzahl der anstehenden Unternehmensübertragungen in Deutschland. Die vorliegende Schätzung für den Zeitraum 2018 bis 2022 kommt zum Ergebnis, dass etwa 150.000 Unternehmen mit rund 2,4 Mio. Beschäftigten zur Übergabe anstehen. Dies entspricht 30.000 Übergaben pro Jahr. Etwa 18 % der Familienunternehmen werden von Mitarbeitern übernommen und die restlichen 29 % werden an Externe verkauft.
Rz. 15
Wie jeder andere Vermögensübergang ist der Übergang des unternehmerischen Vermögens durch lebzeitige Übertragung oder durch Übergang von Todes wegen möglich. Das menschliche Sein bringt es mit sich, dass es häufig nicht in der Macht des Unternehmers liegt, welche der beiden Wege er beschreitet. Richtigerweise müsste er also auf beide Situationen gleichermaßen vorbereitet sein. Dass dies eine Illusion ist, zeigt ein Blick auf die Statistik: Jede vierte Unternehmensnachfolge führt zu einer Unternehmenskrise, jede sechste endet innerhalb von fünf Jahren in der Insolvenz.
Rz. 16
Wesentliche Gründe für ein Scheitern der Unternehmensnachfolge sind u.a.:
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Die Nachfolge wird nicht rechtzeitig angegangen. Mindestens fünf Jahre sind für eine erfolgversprechende Nachfolge einzuplanen. |
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Die Nachfolgeplanung genießt nicht den Charakter eines Unternehmensziels; ihr liegt kein Businessplan zu Grunde. |
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Die Nachfolge wird vom Unternehmer in finanzieller Hinsicht nur halbherzig angegangen. |
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Emotionale Gründe behindern die Beschäftigung mit der eigenen Nachfolge. |
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Streit unter den Erben und Nachfolgern – insbesondere mangels klarer und abgestimmter Regelung. |
Rz. 17
Bei der Unternehmensnachfolge nur das Unternehmen zu betrachten, greift viel zu kurz. In persönlicher Hinsicht ist der Unternehmer regelmäßig in ein vorgegebenes familiäres Umfeld eingebunden, das nicht unberücksichtigt bleiben darf. Auch der Übergang der privaten Vermögenswerte des Unternehmers muss mit der gleichen Sorgfalt behandelt werden wie die unternehmerische Nachfolge. Die Testamentsvollstreckung ist auch und gerade bei der Unternehmensnachfolgegestaltung ein wichtiges und verbreitetes Mittel, um Streitigkeiten unter den Miterben zu vermeiden und die Nachlassabwicklung professionell zu gestalten.
Rz. 18
Je größer die Zahl der Erben, je schutzbedürftiger ein Erbe, je komplizierter der Nachlass ist, je weniger einträchtig die Erben vermutlich sein werden, desto näher liegt der Gedanke an die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers. Sofern bei dem plötzlichen Ableben des Erblassers der vorgesehene Erbe die Unternehmerfunktion voraussichtlich nicht voll wahrnehmen werden kann, bietet sich die Dauertestamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker übernimmt zeitlich begrenzt die Unternehmensführung oder die Ausübung des Stimmrechts für eine Gesellschaftsbeteiligung.