Dr. K. Jan Schiffer, Eberhard Rott
Rz. 10
Vorweg: Ein Testamentsvollstrecker sollte, um die nachfolgend angesprochenen Aufgaben erfüllen zu können, über eine professionelle Infrastruktur verfügen, die ihn in die Lage versetzt, jeweils umgehend und präzise agieren und reagieren zu können.
Was tut der Testamentsvollstrecker typischerweise, wenn er von dem Tod des Erblassers erfahren hat, der ihn zum Testamentsvollstrecker eingesetzt hat?
Rz. 11
Man kann die Maßnahmen und Aufgaben zugleich im Sinne einer Checkliste, die allerdings wegen der vielfältigen Sachverhaltskonstellationen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, wie folgt unterscheiden:
Checkliste: Maßnahmen und Aufgaben
a) Sofortmaßnahmen
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Testamentsvollstreckerakte anlegen |
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Passenden Bankenkontakt herstellen und Anderkonto als Sonderkonto für den Nachlass anlegen und verzinsliche Tages-/Festgeldkonten ermöglichen |
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ggf. Testamentseröffnung veranlassen |
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Testamentsvollstreckerzeugnis beantragen, soweit erforderlich |
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ggf. Bestattung veranlassen |
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Postnachsendeauftrag einrichten |
b) Inbesitznahme des Nachlasses und Bestandsaufnahme
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Inbesitznahme von Immobilien (Wohnung, Haus etc.), ggf. Schlösser austauschen |
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Kontaktaufnahme insbesondere zu Verwandten, Arbeitgeber, Vermieter, Steuerberater, Berufsgenossenschaft, Kfz-Meldestelle, Kirche, Krankenkasse, Bank etc. |
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Ermittlung der Nachlassaktiva. Das ist in unserem globalisierten Reisezeitalter nicht selten recht schwierig, weil das Vermögen auch im Ausland verstreut ist. Von "verschwiegenem Vermögen" ganz zu schweigen. |
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Ermittlung der Nachlasspassiva |
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Beendigung von Vertragsverhältnissen, damit der Nachlass nicht mit unnötigen Kosten belastet wird |
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Etwaige vertragliche Vereinbarungen zwischen Testamentsvollstrecker und Erben – etwa betreffend Amtsführung, Haftungsfreistellung oder Vergütung. Hier ist allerdings Vorsicht geboten, denn der Testamentsvollstrecker hat den letzten Willen des Erblassers auszuführen (siehe Rdn 6). |
c) Errichtung des Nachlassverzeichnisses
Das ist eine der "Kardinalpflichten" des Testamentsvollstreckers (§§ 2215, 2220 BGB).
d) Führung der Geschäfte für den Nachlass
Der Testamentsvollstrecker führt die Geschäfte für den Nachlass nach den letztwilligen Anordnungen des Erblassers entsprechend dem Zweck der Vollstreckung und den Umständen des konkreten Einzelfalles.
e) Informationspflichten des Testamentsvollstreckers
Nach den §§ 2218, 666 BGB hat der Testamentsvollstrecker zu benachrichtigen, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen.
f) Auseinandersetzung des Nachlasses
Hier ist besonders auf die Möglichkeit vertraglicher Vereinbarungen zur Erbauseinandersetzung, aber auch oft ein ggf. letztwillig nach § 1066 ZPO angeordnetes oder ad hoc unter den Kontrahenten vereinbartes Schiedsgericht hinzuweisen.
Die materielle Wirksamkeit und der Grundbuchvollzug von Grundstücksverfügungen des Testamentsvollstreckers kann in der Praxis zu erheblichen praktischen Problemen für den Testamentsvollstrecker und den beurkundenden Notar führen.
g) Klärung von Steuerfragen
Es stellen sich i.d.R. vielfältige steuerliche Fragen, die sich keineswegs in einer (einfachen) Erbschaftsteuererklärung erschöpfen. Regelmäßig sind zumindest Einkommensteuererklärungen für zurückliegende Zeiträume vor dem Tod des Erblassers zu erstellen, bei unternehmerischer Tätigkeit auch Umsatzsteuererklärungen. Auch die Erklärungspflichten nach § 153 AO im Zusammenhang mit tatsächlich nicht erklärten Einkünften spielen in der Praxis eine große Rolle, ebenfalls die richtige steuerliche Behandlung der Erbauseinandersetzung. Auf die Frage, ob und ggf. wann hier Steuerberater beauftragt werden können/sollten und welche Auswirkung dieser Umstand auf die Vergütungsfrage hat, wird nachfolgend unter Rdn 32 ff. eingegangen.