1. Unterhaltspflicht zwischen Verwandten
Rz. 151
Grds. besteht eine Unterhaltspflicht wegen Verwandtschaft.
§ 1601 Unterhaltsverpflichtete
Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.
G1, der Großvater väterlicherseits, ist mit K in gerader Linie verwandt.
G2, der Großvater mütterlicherseits, ist mit K ebenfalls in gerader Linie verwandt.
§ 1589 Verwandtschaft
(1) Personen, deren eine von der anderen abstammt, sind in gerader Linie verwandt. Personen, die nicht in gerader Linie verwandt sind, aber von derselben dritten Person abstammen, sind in der Seitenlinie verwandt. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten.
G1 und G2 sind dem Kind K1 also unterhaltspflichtig, weil sie mit ihm in gerader Linie verwandt sind.
Es ist jedoch der Rang dieser Unterhaltspflicht zu beachten.
2. Vorhandensein vorrangig Unterhaltspflichtiger?
Rz. 152
Eltern haften vor den Großeltern.
Die Kindseltern sind als die näheren Verwandten des Kindes (Verwandte 1. Grades) vor den Großeltern (Verwandte 2. Grades) unterhaltspflichtig.
§ 1606 Rangverhältnisse mehrerer Pflichtiger
…
(2) Unter den Abkömmlingen und unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren.
…
§ 1589 Verwandtschaft
(1) … Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten.
3. Die vorrangige Unterhaltspflicht der Kindseltern?
Rz. 153
Hinweis
Im vorliegenden Fall geht es nur um die ersatzweise Haftung für die "vorhandenen", aber leistungsunfähigen Eltern. Zum Fall der originären Haftung der Großeltern, weil die Eltern des Kindes nicht mehr leben vgl. Fall 57.
a) Die Unterhaltspflicht des Vaters
Rz. 154
Vater M haftet also als näherer Verwandter vorrangig vor Großeltern.
aa) Anspruchsgrundlage
Rz. 155
Anspruchsgrundlage ist § 1601 BGB.
bb) Bedarf
Rz. 156
Der Barbedarf des Kindes bemisst sich nach den Einkommensverhältnissen des Vaters M.
M hat ein Einkommen von 1.260 EUR.
Tabellenunterhalt DT 1/1 396 EUR
Die Frage der Höherstufung und einer etwaigen Unterhaltspflicht gegenüber der Kindsmutter stellt sich nicht, da M offensichtlich nicht einmal den Mindestunterhalt leisten kann.
Abzüglich hälftiges Kindergeld (109,50 EUR) ergibt sich ein Zahlbetrag von 286,50 EUR.
cc) Leistungsfähigkeit des Vaters
Rz. 157
Der notwendige Selbstbehalt des M beträgt 1.160 EUR.
M ist also nur in Höhe von 100 EUR leistungsfähig.
Bezüglich des Restes von 186,50 EUR (286,50 – 100 EUR) ist M leistungsunfähig i.S.v. § 1603 Abs. 1 BGB.
§ 1603 Leistungsfähigkeit
(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.
…
b) Die Unterhaltspflicht der Mutter
Rz. 158
Sie erfüllt ihre Unterhaltspflicht grds. bereits durch die Betreuung des Kindes.
§ 1606 Rangverhältnis mehrerer Pflichtiger
…
(3) … Der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes.
Aber die Kindsmutter ist mit dem Kind näher verwandt als die Großeltern und würde grds. vorrangig vor den Großeltern auch für den Barbedarf haften.
§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB, der Kinderbetreuung und Barunterhalt gleichstellt, gilt nämlich nicht in Bezug auf die nur nachrangig haftenden Großeltern, sondern nur im Verhältnis der Eltern.
Die Kindsmutter hat hier jedoch kein Einkommen und auch keine Erwerbsobliegenheit. Sie ist leistungsunfähig.
§ 1603 Leistungsfähigkeit
(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.
…
4. Ersatzhaftung des Großvaters G1
Rz. 159
Da somit der vorrangig haftende Vater teilweise leistungsunfähig ist und die ebenfalls vorrangig haftende Mutter vollständig leistungsunfähig ist, kommt es zur Ersatzhaftung der Großeltern.
K hat gegen Großvater G1 einen Unterhaltsanspruch gemäß §§ 1601, 1607 Abs. 1 BGB.
§ 1607 Ersatzhaftung und gesetzlicher Forderungsübergang
(1) Soweit ein Verwandter aufgrund des § 1603 nicht unterhaltspflichtig ist, hat der nach ihm haftende Verwandte den Unterhalt zu gewähren.
(2) Das Gleiche gilt, wenn die Rechtsverfolgung gegen einen Verwandten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Der Anspruch gegen einen solchen Verwandten geht, soweit ein anderer nach Absatz 1 verpflichteter Verwandter den Unterhalt gewährt, auf diesen über.
(3) Der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen einen Elternteil geht, soweit unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 anstelle des Elternteils ein anderer, nicht unterhaltspflichtiger Verwandter oder der Ehegatte des anderen Elternteils Unterhalt leistet, auf diesen über. Satz 1 gilt entsprechend, wenn dem Kind ein Dritter als Vater Unterhalt gewährt.
(4) Der Übergang des Unterhaltsanspruchs kann nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden.
Hinweis
Im vorliegenden Fall geht es nur um die ersatzweise Haftung für die "vorhandenen", aber leistungsunfähigen Eltern. Zum Fall der originären Haftung der Großeltern, weil die Eltern des Kindes nicht mehr leben vgl. Fall 57.