Dr. Christoph Lichtenberg
Rz. 159
Gem. § 641 Abs. 1 BGB – der auch im VOB-Vertrag gilt – ist die Vergütung "bei der Abnahme des Werkes zu entrichten". Damit ist also die Abnahme grundsätzlich Voraussetzung für das Fälligwerden des Vergütungsanspruchs.
Rz. 160
Gem. § 641 Abs. 1 S. 2 BGB gilt dies auch für Teile der Vergütung, soweit die Leistung in Teilen abzunehmen ist. Diese Regelung unterstellt, dass der Anspruch auf Teilabnahme vereinbart ist (z.B. in § 12 Abs. 2 VOB/B) aus dem Gesetz ergibt sich dieser Anspruch nicht.
Die Abnahmewirkungen können durch die Vollziehung der Abnahme erreicht werden, aber auch auf einer ganzen Anzahl anderer Wege.
aa) (Rechtsgeschäftliche) Abnahme
Rz. 161
Die Abnahme gehört zu den werkvertraglichen Hauptpflichten des Auftraggebers, § 640 Abs. 1 BGB. Unter der Abnahme versteht man die Übernahme des Werkes als im Wesentlichen vertragsgemäß durch den Auftraggeber. Es geht also zum einen um die körperliche Entgegennahme und zum anderen um die Erklärung, dass das Werk im Wesentlichen als vertragsgerecht akzeptiert wird.
Rz. 162
Die streitige Frage, ob die Abnahme eine rechtsgeschäftliche Erklärung oder eine rechtsgeschäftsähnliche Erklärung darstellt, muss für die Praxis nicht entschieden werden, da jedenfalls Einigkeit darüber besteht, dass die Abnahme wie eine Willenserklärung zu behandeln ist. Demgemäß sind vor allem die Vertretungsregelungen anwendbar; dies gilt auch für die Anscheins- und Duldungsvollmacht. Die Abnahme kann ggf. auch angefochten werden, wenn auch das Anfechtungsrecht hinsichtlich der Irrtumsanfechtung eingeschränkt ist.
Rz. 163
Im Regelfall sind weder der Architekt des Bauherrn noch der Bauleiter des Auftraggebers bevollmächtigt, die Abnahme zu erklären. Natürlich können diese aber ausdrücklich bevollmächtigt werden. Eine Anscheins- und Duldungsvollmacht kommt z.B. in Frage, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber zur Abnahme aufgefordert hat und zu dem entsprechenden Termin der Bauleiter oder Architekt erscheint und die Abnahme erklärt.
Rz. 164
Diese Abnahme i.S.d. § 640 BGB – auch "rechtsgeschäftliche Abnahme" genannt – ist zu unterscheiden von eventuellen technischen oder behördlichen Abnahmen. Technische Begehungen, meist mit dem Architekten des Bauherrn oder einem Sachverständigen, dienen der Vorbereitung der rechtsgeschäftlichen Abnahme, die dann auf dieser Basis durch den Auftraggeber oder dessen Bevollmächtigten erklärt wird. Gleiches gilt für eventuell notwendige behördliche Abnahmen wie z.B. eine brandschutztechnische Abnahme. Auch hier handelt es sich um eine Vorbereitung der rechtsgeschäftlichen Abnahme; die Abnahme durch die Behörde bedeutet lediglich, dass insoweit die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten sind.
Rz. 165
Ungeschriebene Voraussetzungen für den Eintritt der Abnahmepflicht des Auftraggebers sind ein entsprechendes Verlangen des Auftragnehmers sowie die Gelegenheit für den Auftraggeber, die Leistung zu prüfen.
Rz. 166
Sowohl das Abnahmeverlangen als auch die Abnahmeerklärung können auch konkludent erfolgen. Häufigste Fälle für ein konkludentes Abnahmeverlangen des Auftragnehmers sind die Mitteilung, dass die Leistungen fertig gestellt sind oder die Übergabe der Schlussrechnung. Häufigster Fall der konkludenten Erklärung der Abnahme ist die Ingebrauchnahme des Werkes ohne Beanstandung. In Frage kommen auch die vollständige Bezahlung der Schlussrechnung oder Schweigen auf ein vom Auftragnehmer übersandtes Privatgutachten, welches die Leistungen als mangelfrei darstellt. Der Annahme einer konkludenten Abnahme stehen jedoch z.B. die ausdrücklich anderslautende Erklärung oder das offensichtliche Vorliegen wesentlicher Mängel bei der Ingebrauchnahme entgegen. Die Vereinbarung einer förmlichen Abnahme kann der konkludenten Abnahme zunächst auch entgegenstehen. Die Vereinbarung kann jedoch ebenfalls konkludent abbedungen werden, was vor allem bei längerem Zeitablauf ohne ausdrückliche Erklärung anzunehmen ist.
Rz. 167
Gem. § 640 Abs. 1 S. 2 BGB kann die Abnahme wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigert werden. Ein Mangel ist unwesentlich, wenn er bei Abwägung der beidseitigen Interessen von so geringer Bedeutung ist, dass es dem Auftraggeber zugemutet werden kann, auf die Vorteile, die ihm die noch nicht vollzogene Abnahme bietet, zu verzichten. Gleiches gilt für unwesentliche noch ausstehende Restleistungen.
Rz. 168
Umgekehrt ist also der Auftraggeber bei Vorliegen wesentlicher Mängel berechtigt, die Abnahme (vorläufig) zu verweigern; bis zur ordnungsgemäßen Fertigstellung der Leistung steht ihm die Einrede des nicht erfüllten Vertrags zu. Ein wesentlicher Mangel ist im Regelfall anzunehmen, wenn die Gebrauchstauglichkeit des Werkes fühlbar beeinträchtigt ist oder wenn infolge des Mangels die Sicherheit beeinträchtigt ist. Auch hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.