Dr. Christoph Lichtenberg
Rz. 283
Die meisten Verträge enthalten eine Vereinbarung über den Gewährleistungseinbehalt bzw. eine Gewährleistungssicherheit. Das lässt leicht vergessen, dass hierfür zunächst eine Vereinbarung nötig ist. Weder das Gesetz (BGB) noch die VOB/B gibt dem Auftraggeber ein Recht auf eine Gewährleistungssicherheit; ebenso wenig lässt sich dieses aus Gewohnheitsrecht oder Handelsbrauch ableiten. Die §§ 232–240 BGB sowie § 17 VOB/B enthalten lediglich Bestimmungen für den Fall, dass vertraglich eine Sicherheitsleistung vereinbart ist. Dies gilt auch hinsichtlich der jeweiligen Art der Sicherheit.
Davon ausgehend, dass vertraglich eine Sicherheitsleistung wirksam vereinbart ist, gilt – ohne auf die Einzelheiten einzugehen – Folgendes:
aa) Im VOB-Vertrag
Rz. 284
Im VOB-Vertrag kann der Auftraggeber die Sicherheit in der vereinbarten Höhe – meist sind es 5 % der Abrechnungssumme – zunächst von der Schlusszahlung einbehalten, § 17 Abs. 2 Alt. 1 VOB/B; Einzelheiten dazu sind in § 17 Abs. 6 VOB/B geregelt.
Rz. 285
Das Recht auf diesen Einbehalt kann der Auftraggeber auch als Einwendung im Prozess geltend machen; sofern der Auftragnehmer nichts weiter unternimmt, wäre die Klage dann hinsichtlich des Teils, der auf den Sicherheitseinbehalt entfällt, mangels Fälligkeit derzeit abzuweisen. Sobald jedoch der Auftraggeber verpflichtet ist, die Sicherheit herauszugeben (gem. § 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B regelmäßig nach zwei Jahren!), könnte der Anspruch erneut geltend gemacht werden.
Rz. 286
Da § 17 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Alt. 2 VOB/B dem Auftragnehmer aber die Möglichkeit gibt, den Sicherheitseinbehalt durch Bürgschaft abzulösen, wird der Auftragnehmer im Regelfall spätestens dann, wenn der Auftraggeber die Einwendung erhebt, eine entsprechende Bürgschaft anbieten und kann damit die Auszahlung des Einbehalts verlangen.
Rz. 287
Außerdem hat der Auftragnehmer die Möglichkeit, gem. § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein "Sperrkonto" zu verlangen. Kommt der Auftraggeber dem nicht oder nicht rechtzeitig nach, entfällt das Recht zum Sicherheitseinbehalt komplett und der Auftragnehmer kann die sofortige Auszahlung des Einbehalts verlangen und muss keine Sicherheit mehr leisten.
bb) Im BGB-Vertrag
Rz. 288
Die meisten Bauverträge enthalten eine Regelung, die § 17 VOB/B ähnlich ist. Ist dies aber nicht der Fall und es ist lediglich vereinbart, dass dem Auftraggeber eine Gewährleistungssicherheit zusteht, gibt dies dem Auftraggeber nicht ohne Weiteres das Recht, die Sicherheit einzubehalten; dies ist gesetzlich nirgends vorgesehen.
Rz. 289
Allerdings steht dem Auftraggeber die Einrede des nicht erfüllten Vertrags zu, solange er die vertraglich vereinbarte Sicherheit noch nicht erhalten hat. Er kann also bis zur Leistung einer Sicherheit nach den §§ 232 ff. BGB die Auszahlung des entsprechenden Teils der Vergütung verweigern. Dies führt jedoch nicht zu einer Klageabweisung, sondern zur Verurteilung zur Zahlung Zug-um-Zug gegen Sicherheitsleistung.