Leitsatz (amtlich)
1. Wenn die Rückgabe einer Sicherheit "Nach Ablauf der vereinbarten Garantiezeit." vereinbart wird, aber tatsächlich keine Garantie vereinbart wurde, ist der Vertrag aus der Sicht eines vernünftigen Empfängers eindeutig dahin zu verstehen, dass die Gewährleistungszeit gemeint ist.
2. Eine Regelung, die die Ablösung eines Bareinbehalts allein das Stellen einer selbstschuldnerischen, unbefristeten Bürgschaft vorsieht und eine Ablösung durch Hinterlegung von Geld nach § 17 Nr. 5 VOB/B damit ausschließt, stellt sich nicht als benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB dar. (Entgegen OLG Dresden, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 11 W 1608/01 -, Rn. 12, juris; Anschluss an BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 - XI ZR 362/15, BGH 216, 274 Rn. 35; Urteil vom 13. November 2003 - VII ZR 57/02, BGHZ 157, 29, 31 f.)
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 305c Abs. 2, § 307; VOB/B § 17 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 26.09.2019; Aktenzeichen 21 O 91/19 KfH) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 26.09.2019, Az. 21 O 91/19 KfH, abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Gewährleistungsbürgschaft Nr. 430/461709940/000055/S der R + V Allgemeine Versicherung AG vom 06.02.2005 über 5.060,60 EUR herauszugeben Zug um Zug gegen Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft über 5.060,60 EUR unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 5.500,00 EUR, der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Kosten abwenden.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.060,60 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Herausgabe einer Gewährleistungsbürgschaft.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma T. GmbH. Die Beklagte, ein Bauträgerunternehmen, hatte die Insolvenzschuldnerin gemäß Werkvertrag vom 23.04.2004 (K2) mit Fassadenarbeiten am Bauvorhaben E. in München beauftragt. Dem Bauvertrag lag das Angebot (Leistungsverzeichnis) des Auftragnehmers vom 23.07.2003 sowie das Aufmaß vom 17.03.2004 (korrigiert) mit den Bestimmungen der Vorbemerkungen zugrunde, die Vertragsbestandteil sind. Ergänzend zu den Regelungen der VOB/B (DIN 1961) in der bei der Auftragserteilung geltenden Fassung gelten vorrangig die besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten. Diese enthalten keine Regelung zum Punkt Sicherheiten. Unter Ziff. 4. des Zahlungsplans auf Seite 6 des Bauvertrages heißt es: "Nach Ablauf der vereinbarten Garantiezeit. Eine Ablösung der Zahlung durch eine entsprechend befristete Bankbürgschaft kann erfolgen."
Nach Stellung der Schlussrechnung übermittelte die Insolvenzschuldnerin der Beklagten mit Schreiben vom 14.02.2015 zur Ablösung des zwischen den Parteien vereinbarten Gewährleistungseinbehalts eine Bürgschaft in Höhe von 5.060,60 EUR. Die Beklagte sandte die Bürgschaftsurkunde mit Schreiben vom 18.02.2015 zurück, weil sie nicht korrekt ausgestellt sei, unter dem 1. Art. sei eine Aussage getroffen, die so nicht stimme. Die Beklagte bat darin, ihr eine geänderte Fassung im Original zukommen zu lassen.
Die Schuldnerin übermittelte mit Schreiben vom 23.02.2005 eine durch die R + V Versicherung gewährte Bürgschaft gemäß Erklärung vom 06.02.2005 über 5.060,60 EUR. Im Anschreiben teilt die Insolvenzschuldnerin mit, dass sie für die nicht beseitigten Mängel weiterhin die volle Gewährleistung übernehme, ebenso für die noch auszuführenden nachträglichen Arbeiten.
Das Landgericht hat die Klage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde abgewiesen. Ein Anspruch auf Herausgabe ergebe sich insbesondere nicht deswegen, weil die Abrede zur Gewährung der Gewährleistungsbürgschaft nach Seite 6 des Bauvertrags (B1) unwirksam sei. Nach Ziffer 4. des Zahlungsplans seien (erst) nach Ablauf der vereinbarten Garantiezeit 5.000,- EUR zu zahlen gewesen, ersatzweise sei eine entsprechende unbefristete Bürgschaft zu stellen gewesen. Eine nähere Abrede zur Reichweite der Bürgschaft sei ursprünglich nicht getroffen worden.
Für eine zu einem späteren Zeitpunkt getroffene, abändernde Vereinbarung sei der Kläger beweisfällig geblieben. Die Behauptung, die Beklagte habe eine ursprünglich gewährte Bürgschaft zurückgewiesen, worauf die Bürgschaft entsprechend der Anforderung gemäß Anlage K 6 angepasst worden sei, sei nicht bewiesen. Zwar lägen Hinweise dafür vor, dass die Beklagte eine entsprechende Bürgschaft verlangt habe. Auch der Text des Übersendungsschreibens vom 23.02.2005 weise darauf hin (K7), wo es heiße, die Bürgschaftsurkunde sei "genau nach ihren Vorstellungen" gefasst worden. Indes sei nicht klar, ob dies als Individual-Forderung, etwa auch mündlich, oder entsprechend einer AGB-mäßigen schriftlichen Veranlassung ...