Rz. 75

In der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des BGB gab es Nachträge im üblichen Sinne nicht, da dieses kein einseitiges Anordnungsrecht des Auftraggebers kannte. Der BGB-Bau-Werkvertrag nach damaligem Verständnis beruht auf dem Konsensprinzip; es ist grundsätzlich für jede Leistungsänderung eine Einigung der Parteien erforderlich.[85] Bei notwendigen geänderten oder zusätzlichen Leistungen verlangt die Kooperationsverpflichtung allerdings ein Zusammenwirken der Parteien, was im Regelfall zu einer Anpassung des Vertragsinhalts und der Vergütung führen wird.[86] Im Einzelfall kann sogar ein Kontrahierungszwang des Auftragnehmers aus Treu und Glauben bestehen.[87]

 

Rz. 76

Das zum 1.1.2018 eingeführte gesetzliche Bauvertragsrecht hingegen kennt Regelungen zu Anordnungsrechten des Auftraggebers (§ 650b BGB) sowie zu entsprechenden Anpassung der Vergütung (§ 650c BGB); Näheres dazu in nachfolgenden Rdn 85 ff.

[85] Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/Kniffka, Teil 4 Rn 222.
[86] Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/Kniffka, Teil 4 Rn 219 ff.
[87] BGH v. 25.1.1996 – VII ZR 233/94 – BauR 1996, 378; siehe auch Fuchs, BauR 2009, 404.

aa) Mengenänderungen

 

Rz. 77

Mengenänderungen führen beim BGB-Vertrag nicht zu einer Preisanpassung i.S.v. § 2 Abs. 3 VOB/B, da es eine vergleichbare Regelung eben nicht gibt.

 

Rz. 78

Eine Anpassung des Preises infolge von Massenabweichungen kommt nur in Fällen in Frage, in welchen das Missverhältnis zwischen ausgeschriebener und ausgeführter Leistung so groß ist, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) angenommen werden kann.[88] Voraussetzung ist eine erhebliche Äquivalenzstörung.[89] Da beim Einheitspreisvertrag die Veränderung der Massen über die Vordersätze automatisch zu einer Anpassung der Gesamtvergütung führt, wird diese Grenze bei einem Pauschalvertrag naturgemäß schneller erreicht.[90] Starre Werte lassen sich nicht festlegen, da es jeweils auf den Gesamtzusammenhang des Einzelfalls ankommt; die Anpassung eines einzelnen Einheitspreises wird daher im Regelfall nicht in Frage kommen.

 

Rz. 79

Allerdings kann sich der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer schadensersatzpflichtig machen, wenn der Fehler in der Ausschreibung schuldhaft zustande gekommen ist. Eventuelle Nachteile aus einer ungünstigen Kalkulation, die auf die fehlerhaften Massenangaben zurückzuführen ist, hat der Auftraggeber dann zu ersetzen.[91]

[89] Vgl. z.B. OLG Düsseldorf v. 7.11.1995 – 21 U 12/95 – NJW-RR 1996, 1419.
[90] Vgl. Kniffka/Jurgeleit/von Rintelen, § 631 Rn 572.
[91] OLG Nürnberg v. 24.11.2006 – 2 U 1723/06 – BauR 2007, 882; Kniffka/Jurgeleit/von Rintelen, § 631 Rn 571; Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/Kniffka, Teil 4 Rn 380.

bb) Leistungsänderungen auf Veranlassung des Auftraggebers

 

Rz. 80

Da das BGB in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung dem Auftraggeber kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gibt, hatte der Auftraggeber grundsätzlich keine Möglichkeit, Leistungsänderungen oder zusätzliche Leistungen anzuordnen. Vielmehr konnten Änderungen des Leistungsinhaltes nach Vertragsschluss außerhalb der VOB/B nur durch entsprechende Vereinbarung erreicht werden.

 

Rz. 81

Daher gab es im Übrigen diesbezüglich auch keinen Unterschied zwischen dem Einheitspreis- und dem Pauschalvertrag. Bei beiden Vertragsarten war eine Abänderung des Leistungsinhalts nur möglich, wenn die Parteien eine entsprechende Vereinbarung treffen.

 

Rz. 82

Dabei war der Auftragnehmer allerdings nicht völlig frei in seiner Entscheidung, einer Änderung zuzustimmen oder nicht. Sofern die geänderte oder zusätzliche Leistung zur ordnungsgemäßen Herstellung der vertraglichen Leistung notwendig ist, gebietet die aus dem Grundsatz von Treu und Glauben entwickelte Kooperationsverpflichtung dem Auftragnehmer, dass er sich bereit erklärt, die geänderte oder zusätzliche Leistung auszuführen, sofern keine gewichtigen Gründe entgegenstehen.[92]

 

Rz. 83

Ein Grund, der einer Vereinbarung vernünftigerweise entgegenstehen könnte, ist die fehlende Einigung über die Vergütung für die neue Leistung. Allerdings gilt auch hier der Grundsatz von Treu und Glauben, sodass der Auftragnehmer nicht jede Preisvorstellung durchsetzen kann. Obwohl – sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben – im (auch im "alten") BGB-Vertrag keine Bindung an die Urkalkulation besteht, wurde angenommen, der Auftraggeber dürfe nach Treu und Glauben erwarten, dass auch die geänderten/zusätzlichen Leistungen entsprechend dem Preisniveau des bereits geschlossenen Vertrags vergütet werden. Mittlerweile wird man auf Grundlage der Entscheidung des BGH zu § 2 Abs. 3 VOB/B[93] jedoch auch für die "Altverträge" am ehesten die tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge heranziehen.[94]

 

Rz. 84

Auch hier sind natürlich konkludente Vereinbarungen möglich oder Vereinbarungen, bei welchen hinsichtlich der Vergütung keine Einigung getroffen wird (mit der Folge, dass die übliche Vergütung geschuldet ist). Es ergeben sich insoweit keine Besonderheiten.

 

Rz. 85

Das zum 1.1.2018 eingeführte gesetzliche Ba...

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