Rz. 243

Grundsätzlich haftet der Versicherungsnehmer als Partner des Versicherungsvertrages nur für eigenes Verschulden. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bei der Herbeiführung des Versicherungsfalles oder Obliegenheitsverletzungen wirken sich daher nur dann aus, wenn der Versicherungsnehmer sich selbst schuldhaft verhalten hat.

Es würde jedoch nicht der Risikoverteilung entsprechen, wenn der Versicherungsnehmer sich den Folgen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles oder einer Obliegenheitsverletzung dadurch entziehen könnte, dass er ein versichertes Risiko einem Dritten überträgt, dessen Verhalten ihm dann nicht zuzurechnen ist.

Wenn daher der Versicherungsnehmer das versicherte Risiko ganz auf einen Dritten verlagert, der praktisch an seine Stelle getreten ist, dann haftet der Versicherungsnehmer für diesen Dritten, der bereits vom Reichsgericht als "Repräsentant" bezeichnet worden ist.[344] Der BGH[345] weist in seiner Rechtsprechung darauf hin, dass der Versicherungsnehmer sich nicht besser stellen darf, weil er einen Dritten für sich handeln lässt.

[344] Prölss/Martin/Armbrüster, § 28 VVG Rn 98 ff.
[345] BGH r+s 2004, 370.

1. Definition

 

Rz. 244

 

Definition

Repräsentant ist derjenige, der von dem Versicherungsnehmer mit der tatsächlichen Risikoverwaltung betraut und an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist.[346]

Es genügt nicht, dass der Dritte nur gelegentlich nach außen tätig wird und hierbei stets mit Wissen und im Auftrag des Versicherungsnehmers handelt.[347] Die Repräsentantenstellung kann auch auf die Vertragsverwaltung beschränkt werden.[348] Bis zum Urt. v. 21.4.1993[349] hatte der BGH die Auffassung vertreten, dass der Dritte auch noch zusätzlich befugt sein müsse, im Rahmen des Versicherungsverhältnisses die Rechte des Versicherungsnehmers wahrzunehmen.[350]

Zwar reicht auch weiterhin die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache nicht aus, Repräsentant kann nur sein, wer befugt ist, selbstständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln und damit die Risikoverwaltung übernommen hat.[351]

[346] BGH VersR 1989, 737; BGH r+s 1992, 266; BGH VersR 1993, 828; BGH r+s 2004, 370; OLG Hamm r+s 1995, 41.
[347] OLG Hamm r+s 2002, 23.
[348] BGH MDR 2007, 133.
[349] VersR 1993, 828 = r+s 1993, 321.
[350] BGH NJW-RR 1991, 1307; BGH r+s 1992, 266.
[351] BGH zfs 2003, 410; OLG Hamm VersR 1995, 1348; OLG Köln r+s 1996, 7.

2. Rechtsprechung

 

Rz. 245

Unfallflucht des Repräsentanten ist dem VN zuzurechnen, da die Wartepflicht zur Risikoverwaltung gehört.[352]
Ein Vater, der nach förmlicher Übertragung des Betriebes auf seine Söhne faktischer Betriebsinhaber (Chef) bleibt, ist Repräsentant.[353]
Der Mieter eines Hauses ist nicht Repräsentant des Eigentümers in der Gebäudeversicherung;[354] auch nicht der berechtigte Fahrer eines Kfz.[355]
Wenn beide Ehegatten ein Fahrzeug abwechselnd benutzen, ist keiner Repräsentant des anderen.[356]
Die Ehefrau des VN ist dessen Repräsentantin, wenn der versicherte Schmuck ausschließlich von ihr getragen wurde und sie allein entschied, wann sie welchen Schmuck trug.[357]
Der Vater der Versicherungsnehmerin, der alle Verhandlungen mit dem Versicherer geführt hat und einen Brand in der Pelzgroßhandlung seiner Tochter gelegt hat.[358]
Ein Prokurist, dem ein Dienstfahrzeug ständig und ausschließlich für dienstliche und private Zwecke zur Verfügung steht, ist nicht Repräsentant, wenn fahrzeugbezogene Maßnahmen (Reparatur und Wartung) in der Betriebswerkstatt durchgeführt werden.[359]
Ein Ehemann, der seine Gaststätte auf dem Grundstück seiner Ehefrau selbstständig betreibt, ist deren Repräsentant in der Gebäudeversicherung.[360]
Der Kapitän eines Schiffes ist Repräsentant des Reeders.[361]
Der faktische Leiter des Betriebes einer Komplementär-GmbH ist hinsichtlich der betrieblichen Sachversicherung Repräsentant.[362]
[352] BGH r+s 1996, 385= VersR 1996, 1229.
[353] OLG Köln VersR 1996, 94.
[354] OLG Hamm r+s 1995, 325.
[355] OLG Oldenburg r+s 1995, 331.
[356] OLG Hamm, VersR 1995, 1086.
[357] OLG Köln VersR 1999, 311.
[359] OLG Hamm VersR 1995, 1086.
[360] BGH zfs 2003, 411.
[362] OLG Köln r+s 2004, 464.

3. Wissenserklärungsvertreter

 

Rz. 246

Vom Repräsentanten zu unterscheiden ist der Wissenserklärungsvertreter, dessen falschen Angaben jedoch ebenfalls dem Versicherungsnehmer zuzurechnen sind.[363]

 

Rz. 247

 

Definition

Wissenserklärungsvertreter ist, wer von dem Versicherungsnehmer mit der Erfüllung von dessen Obliegenheiten und der Abgabe von Erklärungen anstelle des Versicherungsnehmers betraut ist.[364]

 

Rz. 248

Wenn der Versicherungsnehmer ein von einem Dritten ausgefülltes Schadenformular unterschreibt, macht er sich die Angaben des Dritten zu eigen, es liegt dann eine Falschangabe des Versicherungsnehmers vor;[365] ebenso liegt eine Erklärung des Versicherungsnehmers vor, wenn er ein Schadenformular blanko unterschreibt.[366] Auch wenn der Versicherungsnehmer eine Sch...

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