Rz. 181

Der Versicherungsnehmer hat bei Abschluss des Vertrages alle ihm bekannten Gefahrumstände, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, anzuzeigen. Nach Antragstellung besteht diese Anzeigeobliegenheit nur dann, wenn der Versicherer nochmals entsprechende Fragen gestellt hat (§ 19 Abs. 1 VVG). Wenn der Versicherungsnehmer seine Anzeigeobliegenheit verletzt, kann je nach Grad des Verschuldens der Versicherer

den Vertag kündigen,
vom Vertrag zurücktreten,
eine Prämienerhöhung verlangen,
einen Risikoausschluss vereinbaren oder
den Vertag wegen arglistiger Täuschung anfechten.

1. Einfache Fahrlässigkeit

 

Rz. 182

Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigeobliegenheit schuldlos oder nur mit "normaler" Fahrlässigkeit, kann der Versicherer den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen (§ 19 Abs. 3 S. 2 VVG). Die Kündigung ist ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand sowie die Unrichtigkeit der Anzeige kannte (§ 19 Abs. 5 S. 2 VVG).

 

Rz. 183

Statt der Kündigung besteht auch die Möglichkeit,

den Vertrag zu anderen Bedingungen mit Prämienerhöhung – rückwirkend – fortzusetzen,
den nicht angezeigten Gefahrumstand vom Versicherungsschutz auszuschließen.

Bei einer Prämienerhöhung um mehr als 10 % oder einem Risikoausschluss, "kann der Versicherungsnehmer den Vertag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers ohne Einhaltung einer Frist kündigen" (§ 19 Abs. 6 S. 1 VVG).

2. Grobe Fahrlässigkeit

 

Rz. 184

Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigeobliegenheit grob fahrlässig, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten (§ 19 Abs. 2 VVG). Das Rücktrittsrecht ist ausgeschlossen,

wenn der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis der angezeigten Umstände zu anderen Bedingungen geschlossen hätte (§ 19 Abs. 4 S. 1 VVG);
wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand kannte (§ 19 Abs. 5 S. 2 VVG).

Statt des Rücktritts kann der Versicherer auch eine Vertragsanpassung durch Prämienerhöhung oder einem Risikoausschluss vereinbaren. Bei einer Erhöhung der Prämie um mehr als 10 % oder einem Risikoausschluss hat der Versicherungsnehmer ein "Gegenkündigungsrecht" (§ 19 Abs. 6 VVG). Die Rechtsfolgen eines 2009 erklärten Rücktritts von einem 2007 geschlossenen Vertrag richten sich nach dem neuen VVG 2008.[182]

[182] LG Köln, 23 O 154/09, VersR 2010, 199; Langheid in Langheid/Rixecker ("Spaltungsmodell"), § 19 VVG Rn 16.

3. Vorsatz

 

Rz. 185

Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigeobliegenheit vorsätzlich, kann der Versicherer ebenfalls vom Vertrag – rückwirkend – zurücktreten (§ 19 Abs. 2 VVG). Hier kommt eine Vertragsanpassung nicht in Betracht.

4. Arglist

 

Rz. 186

§ 22 VVG bestimmt ausdrücklich, dass bei arglistiger Täuschung dem Versicherer das Recht zusteht, einen Vertrag, der durch arglistige Täuschung zustande gekommen ist, anzufechten. Die Anfechtung des Vertrages führt zur Unwirksamkeit des Vertrages, gem. § 142 BGB von Anfang an ("ex tunc"). Der Versicherungsnehmer muss alle bislang erhaltenen Leistungen zurückgewähren, der Versicherer behält jedoch seinen Prämienanspruch bis zum Wirksamwerden seiner Anfechtungserklärung (§ 39 Abs. 1 S. 2 VVG).

5. Belehrung

 

Rz. 187

Der Versicherer kann sein Recht auf Kündigung oder Rücktritt gem. § 19 Abs. 5 S. 1 VVG nur ausüben, "wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Belehrung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat". Fettdruck oder schwarzer Balken ­genügen.[183]

§ 19 Abs. 5 S. 1 VVG erfordert eine inhaltlich umfassende und unmissverständliche Belehrung des Versicherungsnehmers. Wenn über die Folgen leicht fahrlässiger Verletzung der Anzeigeobliegenheit nicht belehrt wird, sondern lediglich bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, dann ist die Belehrung unzureichend und damit unwirksam.[184]
Eine Belehrung, die sich ausschließlich auf die Leistungsfreiheit bei Ausübung des Rücktrittsrechts bezieht und nicht darauf hinweist, dass auch eine rückwirkende Einführung eines Risikoausschlusses im Wege der Vertragsanpassung eintreten kann, ist unwirksam.[185]
Die Fragestellung in Textform ist Voraussetzung für § 19 Abs. 1 VVG. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob der Versicherungsnehmer durch einen Versicherungsagenten oder durch einen Versicherungsmakler beraten wurde.[186]
Die gesonderte Mitteilung in Textform kann auch innerhalb des Antragsformulars erfolgen, wenn sich diese Belehrung durch ihre Platzierung und drucktechnische Gestaltung vom übrigen Text derart abhebt, dass sie für den Versicherungsnehmer nicht zu übersehen ist.[187]
Der Begriff "Textform" ist nicht erläuterungsbedürftig. Ach wenn der Versicherungsnehmer § 126b BGB nicht kennt, ist diesem Begriff ohne Weiteres zu entnehmen, dass der Widerspruch in lesbarer Form dem Versicherer übermittelt werden muss.[188]

Bei Arglist ist eine Belehrung nicht erforderlich.[189]

[185] LG Dortmund, 2 O 399/09, NJW-RR 2010, 1260.
[186] LG Hage...

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