Rz. 151
Eine Gefahrerhöhung liegt vor, wenn sich die Umstände der Risikobeschreibung nach Stellung des Versicherungsantrages ungünstig verändern und hierdurch der Eintritt des Versicherungsfalles wahrscheinlicher wird. Einmalige, kurzfristige oder vorübergehende Gefahränderungen sind noch keine Gefahrerhöhung. Die Annahme einer Gefahrerhöhung setzt voraus, dass sich die geänderte Gefahrenlage dauerhaft auf einem höheren Niveau manifestiert.
§ 27 VVG bestimmt ausdrücklich, dass die §§ 23–26 VVG nicht anzuwenden sind, "wenn nur eine unerhebliche Erhöhung der Gefahr vorliegt oder wenn nach den Umständen als vereinbart anzusehen ist, dass die Gefahrerhöhung mitversichert sein soll".
Beispiele
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Während der Wintermonate sind in einem leer stehenden Haus nicht entleerte Wasserleitungen eine Gefahrerhöhung. |
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Das Leerstehen eines Wohngebäudes kann auch eine Gefahrerhöhung für das Feuerrisiko verursachen. Eine derartige Gefahrerhöhung liegt allerdings erst dann vor, wenn nach außen hin erkennbar ein Verwahrlosungszustand des Gebäudes eingetreten ist, so dass es zu einem Anziehungspunkt für Unbefugte wird. |
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Wenn der Mieter eines Anwesens auszieht, in dem der Versicherungsnehmer nur eine gelegentlich genutzte Zweitwohnung unterhält, liegt eine Gefahrerhöhung vor. |
Für die Krankenversicherung bestimmt § 194 Abs. 1 S. 2 VVG ausdrücklich, dass die Vorschriften über die Gefahrerhöhung keine Anwendung finden.
In der Lebensversicherung (§ 158 VVG) und in der Unfallversicherung (§ 181 VVG) führen nur solche Änderungen der Gefahrumstände zu einer Gefahrerhöhung, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung anzusehen sind.
I. Kausalität
Rz. 152
Leistungsfreiheit des Versicherers nach einer Gefahrerhöhung tritt nur dann ein, wenn die Gefahrerhöhung sich ursächlich auf den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht ausgewirkt hat (§ 26 Abs. 3 S. 1 VVG). Aus der Formulierung "soweit" ergibt sich, dass eine Kausalität vermutet wird, so dass der Versicherungsnehmer in der Regel den Kausalitätsgegenbeweis führen muss. Der Kausalitätsgegenbeweis dürfte als geführt angesehen werden, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass der Versicherungsfall auch ohne die Gefahrerhöhung eingetreten wäre.
II. Subjektive Gefahrerhöhung (§ 23 Abs. 1 VVG)
Rz. 153
Ein Versicherungsnehmer darf nach Abschluss des Vertrages die Risikoumstände nicht ungünstig verändern oder eine solche Veränderung einem Dritten gestatten. Ein typischer und häufiger Fall der willkürlichen Gefahrerhöhung liegt beispielsweise vor, wenn Gebäude unbewohnt und unbeaufsichtigt gelassen werden, so dass die Gefahr von Brandstiftung oder Vandalismus vergrößert wird.
Rz. 154
Rechtsfolgen der Gefahrerhöhung treten nur dann ein, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat (§ 26 Abs. 1 VVG). Bei grober Fahrlässigkeit ist der Versicherer berechtigt, "seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis" zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer (§ 26 Abs. 1 S. 2 VVG).
Rz. 155
Bei einer vorsätzlich herbeigeführten Gefahrerhöhung
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kann der Versicherer gem. § 24 Abs. 1 VVG fristlos kündigen; |
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wird der Versicherer leistungsfrei, wenn die Gefahrerhöhung ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war (§ 26 Abs. 3 VVG). |
Rz. 156
Bei grob fahrlässiger Gefahrerhöhung
Rz. 157
Bei einfacher Fahrlässigkeit wirkt sich die Gefahrerhöhung auf die Leistungspflicht des Versicherers nicht aus, er kann lediglich unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen (§ 24 Abs. 1 S. 2 VVG).
Rz. 158
Wenn der Versicherer von seinem Recht zur fristlosen Kündigung bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit und zur fristgerechten Kündigung bei einfacher Fahrlässigkeit keinen Gebrauch macht, gilt die Gefahrerhöhung als genehmigt, so dass der Versicherer in vollem Umfang leistungspflichtig ist (§ 26 Abs. 3 Nr. 2 VVG).
Beweisfragen
Der Versicherer muss die Gefahrerhöhung beweisen, der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast für geringeres Verschulden als grobe Fahrlässigkeit (§ 26 Abs. 1 S. 2 VVG).
Kausalität wird vermutet, der Versicherungsnehmer muss den Kausalitätsgegenbeweis führen (§ 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG).
III. Objektive Gefahrerhöhung (§ 23 Abs. 3 VVG)
Rz. 159
Eine unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eingetretene Gefahrerhöhung liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Nachbarhaus leer steht, in dem sich Stadtstreicher aufhalten. Der Versicherungsnehmer hat "die Gefahr...