Rz. 217
Eine "verhüllte" Obliegenheit liegt dann vor, wenn einem Versicherungsnehmer in der Formulierung eines Risikoausschlusses ein bestimmtes Verhalten als Voraussetzung für die Erhaltung des Versicherungsschutzes aufgegeben wird.
Die Unterscheidung zwischen Risikobegrenzung und verhüllte Obliegenheit ist für die Leistungsfreiheit von ausschlaggebender Bedeutung: Bei einer Risikobegrenzung entfällt ohne weiteres und unabhängig von einem Verschulden des Versicherungsnehmers die Eintrittspflicht des Versicherers. Bei einer (verhüllten) Obliegenheit tritt Leistungsfreiheit des Versicherers nur ein bei Verschulden des Versicherungsnehmers und bei Kausalität.
I. Abgrenzungskriterien
Rz. 218
Entscheidendes Kriterium für die rechtliche Zuordnung einer Klausel als "verhüllte" Obliegenheit oder Risikoausschluss ist ihr materieller Inhalt, nicht ihre äußere Erscheinungsform oder Formulierung. Es kommt darauf an, ob eine individualisierende Beschreibung des Wagnisses vorliegt oder ob ein bestimmtes Verhalten des VN verlangt wird, um den Versicherungsschutz zu behalten. Instruktiv hierzu ist die Entscheidung des BGH zur so genannten Aufsichtsklausel in der Reisegepäckversicherung.
Rz. 219
§ 5 Nr. 1d AVBR 80 lautet:
Zitat
"In unbeaufsichtigt abgestellten Kraftfahrzeugen oder Anhängern nicht versichert sind Pelze, Schmucksachen und Gegenstände aus Edelmetall sowie Foto- und Filmapparate und Zubehör."
Rz. 220
Obgleich die Formulierung "nicht versichert sind" einen Risikoausschluss benennt und beabsichtigt, hat der Bundesgerichtshof die Vorschrift, ein Kraftfahrzeug nicht unbeaufsichtigt abzustellen, als verhüllte Obliegenheit gewertet:
Zitat
"Der Versicherungsschutz hängt damit maßgeblich vom Verhalten des VN ab, das dem eines vorsichtigen Reisenden entspricht. Dagegen ändert sich weder Art noch Ort der Aufbewahrung (in dem Kfz) noch der Gegenstand der Versicherung, wenn der Reisende das abgestellte Kfz verlässt, ohne eine Vertrauensperson mit der ständigen Beaufsichtigung zu beauftragen. Das rechtfertigt es, die Klausel als verhüllte Obliegenheit zu verstehen."
II. Rechtsprechung
Rz. 221
In der Valorenversicherung (§ 5 Abs. 1 AVBSP) heißt es, dass "Versicherungsschutz besteht", solange die versicherten Sachen bestimmungsgemäß getragen oder sicher verwahrt werden. Trotz der Formulierung "Versicherungsschutz besteht" handelt es sich insoweit um verhüllte Obliegenheiten.
Aus der Haftpflichtversicherung: Nach § 4 Abs. 2 S. 3 AHB a.F. muss der Versicherungsnehmer besonders gefahrdrohende Umstände innerhalb einer angemessenen Frist beseitigen. Zwar heißt es auch hier: "Ausgeschlossen von der Versicherung bleiben …", gleichwohl handelt es sich um eine verhüllte Obliegenheit.
Die Regelung in den Bedingungen der Luftfahrthaftpflichtversicherung, nach der kein Versicherungsschutz besteht, wenn der Führer des Luftfahrzeuges nicht die erforderliche Flugberechtigung hat, ist kein objektiver Risikoausschluss, vielmehr handelt es sich um eine verhüllte Obliegenheit.