Rz. 303
Soweit der Versicherer den Schaden reguliert, gehen die Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Schädiger gem. § 86 VVG auf den Versicherer über (cessio legis). Übergangsfähig sind nur die Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger, die den Schaden zum Gegenstand haben, den der Versicherer aufgrund des Versicherungsvertrages abdecken muss. Es muss Kongruenz zwischen dem Schadensersatz einerseits und der Versicherungsleistung andererseits vorliegen.
Übergangsfähig sind alle kongruenten Ansprüche, auch vertragliche Ansprüche, Bereicherungsansprüche und Ausgleichsansprüche (§§ 426, 840 BGB). Der Forderungsübergang gem. § 86 VVG findet nur bei der Schadensversicherung statt, nicht bei der Summenversicherung.
I. Quotenvorrecht
Rz. 304
Nach § 86 Abs. 1 S. 2 VVG darf der Forderungsübergang sich nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auswirken. Bei nur partieller Leistungsfähigkeit des Schädigers greift der Regressanspruch des Versicherers erst dann durch, wenn der Versicherungsnehmer vollständigen Schadensersatz erhalten hat.
Rz. 305
Beispiel
Der Brandstifter verursacht einen Gebäudeschaden von 300.000 EUR, die Versicherungssumme beläuft sich auf 250.000 EUR. Der Versicherer darf seinen Regressanspruch gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG erst dann geltend machen, wenn der Versicherungsnehmer seinen restlichen Schaden in Höhe von 50.000 EUR bei dem Schädiger durchgesetzt hat.
Rz. 306
Diese Privilegierung des Differenzbetrages hat sich in der Rechtsprechung nach der "Differenztheorie" entwickelt, die sich aus dem Quotenvorrecht ableiten lässt.
Das Quotenvorrecht ist insbesondere in der Kraftfahrtversicherung von großer praktischer Bedeutung: Zu den kongruenten Ansprüchen gehören neben dem Fahrzeugschaden auch die Abschleppkosten, die Sachverständigenkosten und der merkantile Minderwert. Das Quotenvorrecht führt dazu, dass der Versicherungsnehmer bis zur Grenze der Mithaftungsquote des Unfallgegners die Selbstbeteiligung, die Abschleppkosten, die Sachverständigenkosten und den merkantilen Minderwert geltend machen kann. Dieses Quotenvorrecht gilt auch in der Rechtschutzversicherung bezüglich des Selbstbehalts.
II. Häusliche Gemeinschaft
Rz. 307
§ 86 Abs. 3 VVG verbietet einen Forderungsübergang gegenüber einer Person, mit welcher der Versicherungsnehmer "bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt".
Unberührt von § 86 VVG bleiben Regressansprüche des Haftpflichtversicherers bei Trunkenheit des in häuslicher Gemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer lebenden Sohnes. Dieser Regressanspruch ist kein Anspruch gem. § 86 VVG, es handelt sich vielmehr um einen Gesamtschuldnerausgleich gem. § 426 BGB.
Eine häusliche Gemeinschaft i.S.v. § 86 Abs. 3 VVG liegt vor, wenn eine auf Dauer angelegte gemeinschaftliche Wirtschaftsführung besteht, und eine nicht ganz unverbindliche Wohngemeinschaft vorhanden ist. Es besteht keine häusliche Gemeinschaft, wenn ein volljähriges Kind aus der elterlichen Wohnung auszieht und eine eigene Wohnung alleine oder mit Dritten bezieht. Dies gilt auch dann, wenn die wirtschaftliche Abhängigkeit des studierenden Kindes von den Eltern auch weiterhin besteht.
Kurzfristige Abwesenheit der mit dem Versicherungsnehmer zusammenlebenden Person schadet nicht, wenn diese Abwesenheit von Anfang an zeitlich begrenzt ist. Es verbleibt daher bei der häuslichen Gemeinschaft, wenn ein Mitglied dieser Gemeinschaft zur See fährt, auswärts studiert oder seiner Wehrpflicht nachkommt.
Die häusliche Gemeinschaft muss "bei Eintritt des Schadens" (§ 86 Abs. 3 VVG) bestehen. Eine nachträgliche Begründung einer häuslichen Gemeinschaft führt daher nicht zu einer Regresssperre.
III. Wirkung des Forderungsübergangs
Rz. 308
§§ 401 ff. BGB bewirken, dass die Forderungen so übergehen, wie sie beim Versicherungsnehmer gegenüber dem Schädiger bestanden haben, also mit allen Einwendungen, Sicherungsrechten und Fristen. Der Regressanspruch des Kaskoversicherers gegenüber dem Arbeitnehmer, der grob fahrlässig ein versichertes Fahrzeug beschädigt hat, muss somit vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden; dies gilt nicht bei Totalschaden an einem Leasingfahrzeug des Arbeitgebers.
Es gelten die tariflichen Ausschlussfristen!
Rz. 309
Der Forderungsübergang gem. § 86 VVG findet nur bei Schadensversicherung statt, nicht aber bei der Summenversicherung. Der Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Schädiger geht erst mit der Zahlung der Entschädigungsleistung auf den Versicherer über, nicht schon im Zeitpunkt des Schadenereignisses wie beispielsweise in § 116 Abs. 1 SGB X.
Der Ford...