Rz. 216
Nach der gesetzlichen Regelung im Auftragsrecht bleibt die (Vorsorge-)Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers im Zweifel bestehen (§§ 168, 672 BGB). Unabhängig vom Grundverhältnis (Gefälligkeit, Auftrag, Geschäftsbesorgung, siehe Rdn 173 ff. und § 11 Rdn 19 ff.), sollte in der Vollmacht aber ausdrücklich klargestellt/geregelt werden, ob die Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gelten soll – sog. transmortale Vollmacht – oder nicht (siehe § 1 Abs. 3 in den Grundmustern I und II, Rdn 8 und Rdn 9). Die Klarstellung/Regelung sollte insbes. auch vor dem Hintergrund erfolgen, dass der Vorsorgevollmacht als "Altersvorsorgevollmacht" bzw. als Vollmacht zur Vermeidung einer Betreuung mitunter eine Erledigung mit dem Tod beigemessen wird (siehe in diesem Zusammenhang Rdn 220). Eine transmortale Vollmacht kann für die Nachlassabwicklung ggf. einen Erbschein entbehrlich machen oder ermöglicht es, in der Zwischenzeit zwischen Tod und Erhalt des Erbnachweises (Erbschein oder Eröffnungsprotokoll bzgl. einer – notariellen – Verfügung von Todes wegen, § 35 GBO) kurzfristige Verbindlichkeiten (wie z.B. Beerdigungskosten) aus dem Vermögen des Vollmachtgebers (Erblassers) zu begleichen (siehe in diesem Zusammenhang zur Totenfürsorge Rdn 158 ff.). Auch gerade im Bereich der Unternehmensnachfolge kann die transmortale Vollmacht zur Gewährleistung fortdauernder Handlungsfähigkeit geboten sein (siehe dazu § 2 Rdn 76 ff.). Der Bevollmächtigte vertritt dann allerdings nicht mehr den Vollmachtgeber, sondern dessen Erben. Nicht ganz klar ist, in wessen Interesse der Bevollmächtigte nach dem Tod des Vollmachtgebers handeln muss, im Interesse des verstorbenen Vollmachtgebers oder der Erben? Umstritten ist, ob eine transmortale Bevollmächtigung des Alleinerben diesem einen Erbnachweis nach § 35 GBO erspart (siehe dazu Rdn 81 ff. und § 19 Rdn 11 ff.). Ein Miterbe kann die Vollmacht allein – allerdings nur für sich – widerrufen. Eine (transmortale) Vollmacht erlischt nicht (automatisch) mit Testamentsvollstreckung; der Testamentsvollstrecker kann die Vollmacht aber widerrufen (siehe zum Verhältnis zwischen Vollmacht und Testamentsvollstreckung § 20 Rdn 39 ff.). Das Verhältnis zwischen Vollmacht und Vor- und Nacherbfolge ist umstritten, siehe dazu § 20 Rdn 32, 33 (mit "klarstellendem" Muster, zur Frage, ob der Bevollmächtigte auch die Nacherben vertritt).
Rz. 217
Zur Vermeidung des – nicht unbeträchtlichen – Missbrauchsrisikos bei von der Erbfolge abweichender Bevollmächtigung und/oder mehreren Erben wird teilweise auch generell eine Beschränkung der Vollmacht auf den Tod des Vollmachtgebers empfohlen (siehe in diesem Zusammenhang zur entsprechenden Befristung der Beglaubigung gem. § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG den nachstehenden Hinweis Rdn 220). Mit einer Beschränkung der Vollmacht auf den Tod des Vollmachtgebers ist dann aber der Nachteil verbunden, dass ggf. bei Ausübung der Vollmacht der Nachweis erbracht werden muss, dass der Vollmachtgeber noch lebt. Wie an vielen Stellen der Vollmacht (Einzelvertretung, Schenkungen, Befreiung von § 181 BGB, sofortige Wirksamkeit/Ausfertigung) ist die Frage der Fortgeltung über den Tod hinaus eine Frage des Vertrauens (vgl. bereits Rdn 29, 45, insbes. Rdn 56, 67).
Rz. 218
Die Erteilung einer transmortalen (Vorsorge-)Vollmacht soll der Anordnung einer Nachlasspflegschaft nicht im Wege stehen (siehe zum Verhältnis zwischen Vollmacht und Nachlasspflegschaft § 20 Rdn 34 ff.).
Rz. 219
Eine transmortale (Vorsorge-)Vollmacht – in der Form des § 29 GBO (also notariell beurkundet oder beglaubigt) – ermöglicht es den Erben, bspw. eine Immobilie des Vollmachtgebers/Erblassers zu veräußern, ohne dass die Erbfolge durch einen amtlichen Erbnachweis (Erbschein oder im Einzelfall Eröffnungsprotoll bzgl. einer – notariellen – Verfügung von Todes wegen, § 35 GBO) belegt werden muss. Es bedarf keiner Voreintragung der Erben im Grundbuch (Grundsatz § 39 GBO; Ausnahme § 40 Abs. 1 GBO). Das gilt nicht nur für die Vormerkung und die Auflassung, sondern mit neuerer OLG-Rechtsprechung jetzt auch für die (Finanzierungs-)Grundschuld des Käufers (§ 40 Abs. 1 Alt. 2 GBO analog). Allerdings kann sich der Käufer mangels Voreintragung neben dem Rechtsschein der Vollmacht (§ 172 BGB) nicht zusätzlich auch auf den guten Glauben an das Grundbuch berufen (§§ 891, 892 BGB). Zum Sonderproblem des transmortal bevollmächtigten Alleinerben siehe Rdn 81 ff. und § 19 Rdn 11 ff.
Rz. 220
Hinweis: Auf den Tod befristete Beglaubigungswirkung gem. § 7 Abs. 1 S. 2 BtBG
Mit der Reform zum Vormundschafts- und Betreuungsrecht zum 1.1.2023 hat der Gesetzgeber die Wirkung der Beglaubigung einer (Vorsorge-)Vollmacht – entgegen der für das bis zum 31.12.2022 geltenden Recht (§ 6 Abs. 2 S. 1 BtBG a.F.) klärenden BGH-Entscheidung – auf die Lebenszeit des Vollmachtgebers beschränkt (§ 7 Abs. 1 S. 2 BtBG).
Die notarielle Vollmacht wird durch diese Entscheidung des Gesetzgebers weiter aufgewe...