Rz. 94
Vorsorglich sollte ausdrücklich geklärt werden, ob und inwieweit der Bevollmächtigte (bei mehreren Bevollmächtigten siehe Rdn 101) befugt ist, Vermögenswerte des Vollmachtgebers an sich oder Dritte zu verschenken. Zwar wird davon ausgegangen, dass ein Generalbevollmächtigter (auch ohne dahingehende ausdrückliche Erklärung des Vollmachtgebers) zu Schenkungen befugt ist, und zwar ohne Einschränkungen; im Einzelfall kann eine Generalvollmacht aber dann doch einschränkend ausgelegt werden, insbes. bei ganz außergewöhnlichen Geschäften, die erkennbar den Vollmachtgeber schädigen (Kollusion, offensichtlicher Missbrauch/Evidenzfälle, siehe auch Rdn 87). Ohne eine entsprechende Klarstellung oder Regelung zur Berechtigung von Schenkungen besteht die Gefahr, dass die Wirksamkeit einer Schenkung oder einer anderen – auch nur teilweise – unentgeltlichen Zuwendung (wie zum Beispiel auch ein Übergabevertrag) in den Streit kommt.
Rz. 95
Muster 1.16: Baustein Grundmuster – Schenkungen ohne Einschränkung
Muster 1.16: Baustein Grundmuster – Schenkungen ohne Einschränkung
(Standort im Grundmuster I: § 2 Abs. 1 Variante 1)
Die Vollmacht soll eine Generalvollmacht sein und im Umfang unbeschränkt gelten; der Bevollmächtigte ist ausdrücklich auch befugt, Schenkungen an sich oder Dritte vorzunehmen.
Rz. 96
Im Beratungsgespräch – für den Notar bis hin in den Beurkundungstermin – ist auf die Frage der Schenkungsbefugnis ein besonderes Augenmerk zu legen (eine der drei Kernfragen zur Vorsorgevollmacht, siehe Rdn 54). Die Wünsche des Vollmachtgebers und dessen Aufklärung müssen mit Bedacht vorgenommen werden. Wenn der Vollmachtgeber die Vollmacht unterschreibt, muss ihm bewusst sein, ob und inwieweit der Bevollmächtigte zu Schenkungen befugt ist. Mitunter wird die Frage, ob der Bevollmächtigte etwas verschenken darf, vorschnell verneint. "Ich habe nichts zu verschenken." "Wenn es etwas zu verschenken gibt, dann mache ich das (noch) selbst." Oftmals ist dem Vollmachtgeber nicht bewusst, dass er damit eine ggf. später gewünschte – ggf. auch sozialrechtlich motivierte – Übertragung der Familienimmobilie gegen Wohnungsrecht bspw. auf ein Kind unmöglich macht oder zumindest erschwert. Denn wenn Schenkungen in der Vollmacht ausgeschlossen sind, stellt sich die Frage, ob sich das gewünschte Ergebnis über die gesetzliche Vertretung durch einen Betreuer überhaupt erzielen lässt. Bis zum 31.12.2022 galt für den Betreuer ein grundsätzliches Schenkungsverbot (§§ 1804, 1908i Abs. 2 S. 1 BGB a.F.; siehe dazu 1. Auflage 2020, § 1 Rn 89). Mit der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zum 1.1.2023 sind Schenkungen mit Genehmigung des Betreuungsgerichts möglich; ausgenommen vom Genehmigungserfordernis sind Schenkungen, die nach den Lebensverhältnissen des Betreuten angemessen oder als Gelegenheitsgeschenke üblich sind (§ 1854 Nr. 8 BGB). Ein Übergabevertrag erfüllt diese Kriterien i.d.R. nicht. Insbesondere in Fällen einer – wenn auch in ferner Zukunft – bevorstehenden (Betriebs-) Übergabe ist daher seitens des Beraters darauf zu achten, dass sich der Vollmachtgeber in der Vollmacht nicht vorschnell für ein (umfassendes) Schenkungsverbot entscheidet.
Rz. 97
Praxistipp
Erklärt der Berater dem Vollmachtgeber die Folgen eines Schenkungsverbots für die ggf. später sozialrechtlich motivierte Übergabe des Familienwohnheims, wird der Vollmachtgeber von seinem meist – trotz Vorgespräch und Übersendung eines Entwurfs – spontan gewünschten Verbot Abstand nehmen oder dieses zumindest einschränken (siehe z.B. die Varianten im nachfolgenden Musterbaustein Rdn 99). Hat der Vollmachtgeber keine Immobilie oder ist ihm sein Auto lieber, mag vor Augen geführt werden, dass sein Auto im Falle seiner Geschäftsunfähigkeit nicht so ohne Weiteres bspw. auf seinen Ehegatten oder ein Kind übertragen werden kann; der Übertragung müsste ein Kaufvertrag (Verkehrswert) vorangehen. Vergleichbar ist die Problematik bei der Frage der Befreiung von § 181 BGB (dazu Rdn 54).
Rz. 98
Auch beim einfachen Verkauf des Familienwohnheims (z.B. nach bzw. wegen alters-pflegebedingtem Auszug) kann das Schenkungsverbot stören; ggf. ist dann zur Vorlage beim Notar, bei der finanzierenden Bank des Käufers und/oder spätestens beim Grundbuchamt ein (zeitaufwendiges, kostenträchtiges) Verkehrswertgutachten erforderlich (Stichwort: Werthaltigkeits- bzw. Entgeltnachweis; erreicht der vereinbarte Kaufpreis den vollen Verkehrswert?). Der Vorteil der Vorsorgevollmacht gegenüber einer vom Betreuungsgericht zu genehmigenden Veräußerung durch den Betreuer (§§ 1833 Abs. 3, 1850 Nr. 1 BGB) kann durch ein – ggf. auch nur eingeschränktes – Schenkungsverbot verlorengehen.
Rz. 99
Muster 1.17: Baustein Grundmuster – Beschränkung im Außenverhältnis (Ausschluss/Einschränkung von Schenkungen)
Muster 1.17: Baustein Grundmuster – Beschränkung im Außenverhältnis (Ausschluss/Einschränkung von Schenkungen)
(Standort im Grundmuster I: statt dortigem § 2 Abs. 1)
Die Vollmacht soll eine Gener...