Rz. 196
Spezifizierung
Wirksamkeit mit Besitz der Ausfertigung beim Bevollmächtigten (siehe dazu Rdn 188) und Anweisung des Notars gem. § 52 Abs. 2 BeurkG, dem Bevollmächtigten nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausfertigung zu erteilen (sog. Ausfertigungssperre)
Rz. 197
Diese Gestaltung geht auf Bühler zurück und war einige Zeit im notariellen Bereich das "Standardmodell". Auch in der heutigen Beratungspraxis findet das "Modell" beim "zaudernden" Vollmachtgeber (siehe Rdn 189) großen Zuspruch. Zumeist ist er im Beratungsgespräch überrascht, dass die Vollmacht im Außenverhältnis unbeschränkt – zumindest unbedingt – zu gestalten ist (siehe Rdn 191). Wenn dieser weiß, dass der Notar als Amtsperson über die Aushändigung der Vollmacht (Ausfertigung) wacht, dann schafft das i.d.R. die Basis/Bereitschaft für eine umfassende – sonst uneingeschränkte – Vorsorgevollmacht. Der Vorteil dieser Lösung liegt darin, dass die Vollmacht erst "später" (z.B. bei Geschäftsunfähigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit) verwendet werden kann und der Rechtsverkehr nicht – wie bei der Bedingung (siehe Rdn 191) – mit Nachweisproblemen belastet wird.
Rz. 198
Ein entscheidender Nachteil wird von Notarseite jedoch darin gesehen, dass der Notar mit der Aufgabe "belastet" wird, den Eintritt der Aushändigungsvoraussetzungen prüfen zu müssen. Um den Notar nicht über Gebühr zu belasten, sollte bei der Formulierung der Aushändigungssperre darauf geachtet werden, dass der Notar sich auf eine ärztliche Bescheinigung (siehe dazu Rdn 201) verlassen darf, deren Rechtmäßigkeit (inkl. des Ausstellers und dessen Eigenschaft als Arzt) der Notar nicht zu überprüfen hat. Wird dem Notar eine "gefälschte" bzw. eine (bewusst) falsche Bescheinigung vorgelegt, bewegt sich der Bevollmächtigte im strafrechtlich relevanten Bereich, der der Kontrolle des Notars entzogen ist, soweit die Straftat für den Notar nicht (offenbar) erkennbar ist.
Rz. 199
Die Ausfertigungssperre beim Notar ist mit (zusätzlichen) Kosten (Notargebühren) verbunden. Der Notar hat eine 0,5 Betreuungsgebühr gem. Nr. 22200 Nr. 3 KV GNotKG abzurechnen, d.h. die Notarkosten steigen um die Hälfte bzw. auf 150 % (Maximalbeispiel: 0,5 Gebühr auf den Höchstwert von 1 Mio. EUR = 867,50 EUR zzgl. Auslagen und Umsatzsteuer); die Betreuungsgebühr fällt allerdings erst an, wenn der Notar die Voraussetzungen für die Erteilung der Vollmacht zu prüfen hat. Der Vollmachtgeber sollte auf diese "Zusatzgebühr" hingewiesen werden. Bei Bevollmächtigungen innerhalb der Familie ist dies meist die Nagelprobe: Wenn dem Vollmachtgeber die Ausfertigungssperre die spätere Betreuungsgebühr nicht wert ist, dann ist sein Vertrauen in den Bevollmächtigten offenbar doch größer als zunächst angenommen (ausgenommen, er ist von extremem "Kostenbewusstsein" getrieben).
Rz. 200
Muster 1.33: Baustein Grundmuster – Ausfertigung gegen Vorlage ärztlicher Bescheinigung/Attest
Muster 1.33: Baustein Grundmuster – Ausfertigung gegen Vorlage ärztlicher Bescheinigung/Attest
(Standort im Grundmuster I: § 6 Abs. 1)
Solange ich den Notar nicht schriftlich anders anweise, darf er dem Bevollmächtigten auf dessen einseitigen Antrag nur dann Ausfertigungen erteilen, wenn der Bevollmächtigte dem Notar eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, wonach ich die in der Vollmacht bezeichneten Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst erledigen kann (der Bescheinigung gleichgestellt ist eine Sterbeurkunde). Der Arzt ist ermächtigt, auf Antrag des Bevollmächtigten eine Bescheinigung zu erteilen. Der Notar muss die Rechtmäßigkeit der Bescheinigung nicht prüfen. Werden widersprechende Bescheinigungen vorgelegt oder ergeben sich andere Zweifelsfragen, so darf der Notar auf Antrag des Bevollmächtigten keine Ausfertigung erteilen; erforderlichenfalls muss dann ein Betreuer bestellt werden.
Rz. 201
Der vorstehende Musterbaustein stellt für die ärztliche Bescheinigung mit Perau – und diesem bspw. folgend Bühler und Müller-Engels – darauf ab, dass der Vollmachtgeber betreuungsbedürftig ist bzw. die in der Vollmacht bezeichneten Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst erledigen kann. Alternativ kann auch auf eine Bescheinigung abgestellt werden, dass der Vollmachtgeber geschäftsunfähig ist oder Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit bestehen, oder auf den Umstand, dass der Vollmachtgeber den Notar – gesundheitlich bedingt – nicht mehr schriftlich anweisen kann (siehe dazu auch bereits die Anmerkung (Fußnote) bei § 6 Abs. 1 im Grundmuster I, Rdn 8, Fn 32). Die Überlegung, was genau ärztlich zu bescheinigen bzw. zu attestieren ist, zeigt den eigentlichen Nachteil dieser Lösung auf: Sind die Ärzte bereit, entsprechende Bescheinigungen zu erteilen? Vorsorglich sollte – wie im vorstehenden Muster – Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht erteilt werden. Ferner sind die mit der Erlangung der ärztlichen Bescheinigung und dem notariellen Erteilungsverfahren verbundenen Verzögerungen hinzunehmen; de...