Rz. 164
Die Erteilung einer (Vorsorge-)Vollmacht ist ein einseitiges Rechtsgeschäft (§ 167 Abs. 1 BGB; i.d.R. Innenvollmacht, Alt. 1). Von der – einseitigen – Erteilung der Vollmacht zu unterscheiden ist das der Vollmacht zugrunde liegende – zweiseitige – Rechtsverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem, das sog. Grundverhältnis (Abstraktionsprinzip, mit gewisser Verknüpfung über § 168 S. 1 BGB).
Rz. 165
Trifft der Vollmachtgeber in der Vollmacht (in der Vollmachtsurkunde) einseitig Anordnungen zum Grundverhältnis, dürfte die für das Grundverhältnis notwendige Vereinbarung mit dem Bevollmächtigten regelmäßig spätestens dann zustande kommen, wenn der Bevollmächtigte die Vollmacht verwendet, d.h. aufgrund der Vollmacht für den Vollmachtgeber handelt.
1. Rechtsnatur des Grundverhältnisses – Auftragsrecht?
Rz. 166
I.d.R. wird angenommen, dass der Vorsorgevollmacht als Rechtsverhältnis ein (unentgeltlicher) Auftrag (§§ 662 ff. BGB) oder eine (entgeltliche) Geschäftsbesorgung (§§ 675 ff. BGB) zugrunde liegt. Es kommt aber auch durchaus ein Gefälligkeitsverhältnis (d.h. kein Rechtsverhältnis) in Betracht (insbes. unter Ehegatten, aber auch bei Kindern, die umfassend in die Angelegenheiten des Vollmachtgebers eingebunden sind, str.). Teilweise wird auch von einem besonderen oder sonstigen Treueverhältnis gesprochen. Siehe ausführlich zum Rechtsverhältnis zwischen Vollmachgeber und Bevollmächtigtem § 11.
Rz. 167
In der Praxis wird die Frage des Rechtsverhältnisses in Abgrenzung der Gefälligkeit vom Auftrag zumeist im Streit um (spätere) Informationsansprüche des Vollmachtgebers oder seiner Erben gegen den Bevollmächtigten relevant (siehe dazu § 11 Rdn 72 ff.).
Rz. 168
Überwiegend wird empfohlen in der Vorsorgevollmacht klarzustellen bzw. zu regeln, dass im Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem Auftragsrecht gelten soll (Klarstellung bzw. Minimalregelung; so der Vorschlag im Grundmuster I und II (Rdn 8, 9) § 4 Abs. 1 S. 2).
Rz. 169
Alternativ kann aber im "Normalfall" mit guten Gründen auch bewusst keine "Anordnung" zum Rechtsverhältnis getroffen werden. Wenn der Bevollmächtigte in der Vollmacht nämlich zu sehr in die Pflicht genommen wird, besteht die Gefahr, dass er nicht "annimmt" und damit als Bevollmächtigter ausfällt, so dass dann letztendlich doch ein Betreuer bestellt werden muss, was der Vollmachtgeber aber gerade vermeiden möchte. Ferner sind durchaus Fälle denkbar, die ohne Grundverhältnis bzw. im Gefälligkeitsverhältnis starten und später – ggf. auch nur in Teilbereichen/Aufgabenkreisen – aufgrund Intensität oder Umfang der zu erledigenden Geschäfte oder aufgrund eines später vereinbarten Entgelts in ein Auftragsverhältnis bzw. eine Geschäftsbesorgung (mit dem entsprechenden Rechtsbindungswillen) "hineinwachsen". Eine frühzeitige Festlegung von Auftragsrecht nähme diesen Fällen – ohne sachlichen Grund – die Chance auf eine Einstufung als Gefälligkeitsverhältnis.
Rz. 170
Muster 1.26: Baustein Grundmuster – Ausdrücklich keine Regelung des Grundverhältnisses
Muster 1.26: Baustein Grundmuster – Ausdrücklich keine Regelung des Grundverhältnisses
(Standort im Grundmuster I: anstelle des dortigen S. 2 in § 4 Abs. 1; zusätzlich den Hinweis Musterbaustein Rdn 183 im Grundmuster I § 5 als Spiegelstrich 7 ergänzen)
Weitere Bestimmungen zum Grundverhältnis sollen hier in dieser Vollmachtsurkunde heute ausdrücklich nicht aufgenommen werden (siehe dazu den Hinweis § 5 Spiegelstrich 7).
Rz. 171
Wird Auftragsrecht "angeordnet", sollte der Berater mit dem Vollmachtgeber in Fällen besonderer Nähe bzw. besonderen Vertrauens zum Bevollmächtigten (Partner, Kinder) erörtern, ob und inwieweit der Bevollmächtigte vor Informationsansprüchen der (Mit-)Erben des Vollmachtgebers zu bewahren/zu schützen ist.
Rz. 172
Muster 1.27: Baustein Grundmuster – Kurze Regelung des Grundverhältnisses (Auftragsrecht 261 Nach Bühler , FamRZ 2001, 1585; Limmer u.a./ Müller-Engels , WürzbNotar-HdB, Teil 3 Kap. 3 Rn 1 (Grundmuster, dort VI). mit Alternativen zur Einschränkung der Rechenschaftspflicht 262 Nach Horn , ZEV 2016, 373.; siehe ergänzend Horn , NJW 2018, 2611 (mit weiteren Mustern) und Stascheit , RNotZ 2020, 61 mit Muster (inkl. plastischer Erläuterung für die Beteiligten). )
Muster 1.27: Baustein Grundmuster – Kurze Regelung des Grundverhältnisses (Auftragsrecht mit Alternativen zur Einschränkung der Rechenschaftspflicht)
(Standort im Grundmuster I und II: als Satz 2 in § 4 Abs. 1)
Der Bevollmächtigte hat bei der Wahrnehmung meiner Angelegenheiten dieselben Pflichten wie ein Betreuer gem. § 1821 BGB. Im Übrigen gilt Auftragsrecht (§§ 662 ff. BGB).
Alternativ: Im Übrigen gilt Auftragsrecht (§§ 662 ff. BGB), wobei der Bevollmächtigte nur eingeschränkt verpflichtet ist, gem. § 666 BGB Rechenschaft abzulegen,
Variante 1: und zwar nur für Rechtsgeschäfte, die Verpflichtungen/Verfügungen betreffen, die im Einzelfall einen Wert von _________________________ EUR – und bei Dauerschuldverhältnissen in...