Rz. 198

Voraussetzung ist gemäß § 1358 Abs. 1 BGB, dass der zu vertretende Ehegatte seine Angelegenheiten betreffend die Gesundheitssorge aufgrund von Krankheit oder Bewusstlosigkeit nicht besorgen kann. Dies wäre gemäß § 630d Abs. 1 S. 4 BGB der Fall, wenn die Einwilligung für eine unaufschiebbare medizinische Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, diese jedoch ohne Einwilligung des Patienten durchgeführt werden kann, wenn diese dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.[322]

 

Rz. 199

Das Gesetz definiert die Begriffe "Krankheit" und "Bewusstlosigkeit" nicht. Zur Definition des Begriffs der Krankheit soll eine Orientierung an § 1814 Abs. 1 BGB erfolgen.[323] Spickhoff schlägt vor, den Begriff der Krankheit nach dem im Krankenversicherungsrecht, bspw. in § 27 SGB V, verwendeten Begriff zu definieren.[324] Eine Krankheit wird insoweit angenommen, wenn bei dem Patienten ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand vorliegt, dessen Eintritt entweder allein die Notwendigkeit von Heilbehandlung oder zugleich oder ausschließlich die Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.[325]

Der Begriff der Bewusstlosigkeit soll anhand des § 827 BGB definiert werden.[326] Eine Bewusstlosigkeit liegt im Falle des Fehlens des Bewusstseins oder einer hochgradigen Bewusstseinstrübung, in deren Folge der Patient den Inhalt und das Wesen seiner Handlungen ganz oder in bestimmter Richtung nicht mehr erkennen kann, vor.[327] Hierunter wird auch eine intellektuelle Behinderung wie Demenz zu subsumieren sein.[328]

Eine Einwilligungsunfähigkeit oder Geschäftsunfähigkeit wird nicht gefordert. Der zu vertretende Ehegatte muss jedoch aufgrund seines Zustands den Willen rechtlich nicht vollziehen können. Ansonsten hat der Arzt mit dem zu vertretenden Ehegatten selbst zu kommunizieren.[329]

 

Rz. 200

Das Vertretungsbedürfnis kann auch durch die Behandlung hervorgerufen worden sein.[330]

 

Rz. 201

Sollte der Zustand des zu vertretenden Ehegatten auf einer minderschweren Krankheit beruhen, so kann er u.U. noch einwilligungsfähig sein. Kraemer führt hierzu jedoch an, dass aus seiner Sicht eine Vertretung durch den anderen Ehegatten möglich sein sollte, damit es zu keiner ansonsten nötigen Betreuungsanordnung komme.[331]

[322] Spickhoff, FamRZ 2022, 1897, 1899.
[323] Jurgeleit, NJW 2023, 1, 3.
[324] Spickhoff, FamRZ 2022, 1897, 1899.
[325] Becker/Kingreen/Lang, SGB V, § 27 Rn 14.
[326] Spickhoff, FamRZ 2022, 1897, 1899.
[327] Grüneberg/Sprau, § 827 Rn 2.
[328] Vgl. Spickhoff, FamRZ 2022, 1897, 1899 mit weiteren Verweisen und Diskussion hierzu.
[329] Grüneberg/Siede, § 1358 Rn 2 und 6; weitere Diskussion: Spickhoff, FamRZ 2022, 1897, 1899 ff.
[330] Grüneberg/Siede, § 1358 Rn 2.
[331] Kraemer, BtPrax 2021, 208.

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