Isabelle Losch, Gabriela Hack
Rz. 117
Nach einer starken, aber nicht unumstrittenen Meinung in der Literatur berechtigt eine im Rahmen einer Vor- und Nacherbschaft über den Tod hinaus erteilte Vollmacht des Erblassers an einen Dritten während der Vorerbschaft nur zur Vertretung des Vorerben allein.
Ebenso ist strittig, ob die Beschränkungen des Vorerben dabei auch für den Bevollmächtigten gelten. Die Beschränkungen des Vorerben gemäß §§ 2113 ff. BGB sollen demnach auch für den Bevollmächtigten gelten, anderenfalls würden die gesetzlichen Rechte des Nacherben unterlaufen. Dementsprechend können die Befugnisse des Vorerben nach dieser Ansicht nicht durch die Erteilung einer trans- oder postmortalen Vollmacht an den Vorerben erweitert werden.
Fraglich ist hier zudem, ob eine dem Vorerben erteilte Vollmacht nach Eintritt des Erbfalls durch Konfusion (bzw. durch Konsolidation) erlischt, was mittlerweile überwiegend verneint wird.
Rz. 118
Die Gegenansicht vertritt die Auffassung, dass sowohl ein bevollmächtigter Dritter als auch der bevollmächtigte Vorerbe den Nacherben vertreten kann. Begründet wird dies damit, dass der Erblasser dem Nacherben auch mittels eines Nacherbenvollstreckers gemäß § 2222 BGB während der Vorerbschaft seine Befugnisse völlig entziehen könne. Dann solle dies aber erst recht mittels einer (widerruflichen) Vollmacht möglich sein.
Rz. 119
Dieser Ansicht schloss sich das OLG Stuttgart an. Für den Fall einer befreiten Vorerbschaft wurde dort entschieden, dass der vom Erblasser trans- oder postmortal bevollmächtigte Vorerbe auch den Nacherben wirksam vertreten könne, ohne den Verfügungsbeschränkungen der §§ 2112, 2113 BGB unterworfen zu sein. Weiter heißt es:
Zitat
"Die vom Erblasser für sich und seine Erben erteilte Vollmacht berechtigt den Bevollmächtigten mithin auch, vor Eintritt der Nacherbfolge insoweit im Namen des Nacherben zu handeln, als der Nacherbe selbst vor Eintritt der Nacherbfolge in seiner Eigenschaft als Nacherbe handeln kann. Der Bevollmächtigte kann somit gleichzeitig im Namen des Vor- und des Nacherben handeln. Erweist sich die Verfügung des Bevollmächtigten für den Nacherben als nachteilig, so kann daraus möglicherweise ein Anspruch des Nacherben gegen den Bevollmächtigten erwachsen, ohne dass deswegen die Gültigkeit der Verfügung des Bevollmächtigten in Frage gestellt wird. Sind Vollmachtnehmer und Vorerbe identisch, mag mit dem Tod des Erblassers die Vollmacht, für den Vorerben zu handeln, durch Konsolidation erloschen sein, die Vertretungsmacht, für den Nacherben zu handeln, bleibt jedoch bestehen."
Der Nacherbe kann jedoch die Vollmacht mit Wirkung für seine Person widerrufen.
Bis zum Widerruf der Vollmacht ist der Nacherbenschutz allein auf das Innenverhältnis beschränkt. Wird die Vollmacht nicht widerrufen, berechtigt sie mit dem Eintritt des Nacherbfalls zur Vertretung der Nacherben.
Rz. 120
Ähnlich wie im Fall des OLG Stuttgart ging es in einem Fall vor dem OLG München um die Freigabe von Grundbesitz aus der Nacherbenbindung, allerdings enthielt die Vollmacht hier keine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Aus diesem Grund ließ das OLG München dahinstehen, ob eine transmortale Vollmacht zugunsten des Vorerben mit dem Erbfall durch Konfusion oder Konsolidation erloschen sei. Jedenfalls sei die gleichzeitige Vertretung von Vor- und Nacherben unzulässig, wenn es sich um die Vornahme eines Rechtsgeschäfts zwischen dem Vor- und dem Nacherben handele. Der Bevollmächtigte könne die Zustimmung zu einer Verfügung namens des Nacherben nicht sich selbst gegenüber als Vertreter des Vorerben erklären, wenn nicht der Nacherbe ihm gegenüber zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet sei.
Praxistipp
Um Rechtssicherheit zu schaffen, sollte somit genauestens geprüft bzw. in der Vollmacht niedergeschrieben werden, ob der Erblasser den Bevollmächtigten trans- oder postmortal ermächtigt, lediglich den Vorerben oder auch den Nacherben zu vertreten. Im Zweifel ist dies im Rahmen der Auslegung der Vollmacht gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
Alternativ kommt die Anordnung eine Nacherbenvollstreckung in der letztwilligen Verfügung gemäß § 2222 BGB in Betracht.
Rz. 121
Eine vom Vorerben erteilte Vollmacht erlischt mit Eintritt des Nacherbfalls, da der Nacherbe nicht Rechtsnachfolger des Vorerben, sondern des Erblassers ist.