Rz. 1

Die für die kautelarjuristische Praxis bedeutende Vorschrift des § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. (nunmehr § 1814 Abs. 3 Nr. 1 BGB) ist mit Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes am 1.1.1992 erstmals in den Blickpunkt geraten:

§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. ermöglichte für den zukünftigen Fall eigener Geschäftsunfähigkeit oder auch bloßer Hilfsbedürftigkeit, eine dritte Person auf rechtsgeschäftlicher Grundlage zur Wahrnehmung der eigenen Angelegenheiten zu bevollmächtigen. Dieses Vollmachtsinstitut wird als Vorsorgevollmacht bezeichnet. Durch eine solche Vollmacht wird das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen gestärkt; die Bestellung eines Betreuers, eines Verhinderungsbetreuers gemäß § 1817 Abs. 4 BGB (§ 1899 Abs. 4 BGB a.F.) oder auch eines Kontrollbetreuers gemäß §§ 1815 Abs. 3, 1820 Abs. 3 BGB (§ 1896 Abs. 3 BGB a.F.) kann verhindert werden.

Das Betreuungsgesetz ermöglicht dem Betreuten somit die Erhaltung seiner Privatautonomie und gibt ihm ein Instrument zur Regelung seiner Wünsche vorrangig vor einem staatlichen Eingreifen durch eine Betreuerbestellung.

 

Rz. 2

Die aktuellste Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts[1] trat am 1.1.2023 in Kraft. Sie setzte die Vorgaben des Art. 12 der UN-Behindertenrechtskonvention um; die betreuungsrechtlichen Vorschriften wurden klarer geregelt.

Es sollen der Vorrang sozialrechtlicher Hilfen vor rechtlicher Betreuung, die Qualität der Betreuung sowie die Auswahl und Kontrolle von Betreuern, das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen ("Unterstützen vor Vertreten") und die Finanzierung der unverzichtbaren Arbeit der Betreuungsvereine in Zusammenarbeit mit den Ländern gestärkt werden (Zeilen 6257–6266 des Koalitionsvertrags).[2] Folglich sollen der Gedanke des Selbstbestimmungsrechts sowie die Wünsche des zu Betreuenden in den Vordergrund rücken.

Auch mit dieser Reform hat der Gesetzgeber leider von einer Legaldefinition des Begriffs der Vorsorgevollmacht abgesehen. Der Gesetzgeber führt dazu aus, dass es sich um eine Vollmacht gemäß §§ 164 ff. BGB handelt, der in der Regel ein Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis zugrunde liegt. Diese soll die Vertretung des Vollmachtgebers im Falle der Aufhebung der rechtlichen Handlungsfähigkeit ermöglichen und somit die Bestellung eines Betreuers vermeiden; die Betreuung soll subsidiär sein. Der Vollmachtszweck – die Vorsorge – gehört zum Innenverhältnis.[3]

 

Rz. 3

Zuvor gab es bereits verschiedene Reformen. Hintergrund war, dass es vor der ersten rechtlichen Regelung streitig war, ob eine Vorsorgevollmacht auch für den Bereich der persönlichen Angelegenheiten und Gesundheitsangelegenheiten rechtliche Wirkung entfaltet. Durch das am 1.1.1999 in Kraft getretene Betreuungsrechtsänderungsgesetz wurden die §§ 1904, 1906 BGB a.F. geschaffen, welche diese Frage zugunsten der Vorsorgevollmacht dahingehend bejahten, dass diese auch für den Bereich der persönlichen Angelegenheiten und Gesundheitsangelegenheiten rechtliche Wirkung entfaltet (vgl. nunmehr §§ 1829, 1831 BGB).[4]

Das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz trat am 1.7.2005 in Kraft mit dem Ziel, die Haushalte der Länder zu entlasten. Umgesetzt wurde dies durch das Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG). Vergütet wird nun nicht mehr nach dem tatsächlich geleisteten Zeitaufwand bzw. den tatsächlich angefallenen Auslagen, sondern pauschaliert. Die Regelungen zur Vergütung finden sich seit Inkrafttreten der aktuellen Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in den §§ 18751881 BGB sowie im VBVG in seiner neuen Fassung.

 

Rz. 4

Das Instrument der Patientenverfügung war bis ins Jahr 2009 nicht gesetzlich geregelt, so dass große Unsicherheiten in Bezug auf deren Geltung und Bindungswirkung bestanden. Mit dem Ziel, für alle Beteiligten – also für den Betroffenen, für den Betreuer bzw. Bevollmächtigten sowie für Ärzte und das Pflegepersonal – mehr Rechtssicherheit zu schaffen, beschloss der Bundestag am 18.6.2009 das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts (3. BtÄndG).[5] Das Gesetz trat zum 1.9.2009 in Kraft und sieht im Wesentlichen folgende Regelungen vor:

Die Patientenverfügung wurde in den §§ 1901a, 1901b und 1904 BGB a.F. (nunmehr §§ 1827, 1828 BGB) gesetzlich verankert, mit einem Verweis in § 630d BGB.
Zu ihrer Wirksamkeit bedarf die Patientenverfügung der Schriftform; sonstige Formerfordernisse wie die vorherige ärztliche Aufklärung oder eine regelmäßige Geltungsbestätigung sind nicht vorgesehen.
Die Patientenverfügung ist verbindlich und der darin festgelegte Wille des Betroffenen unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung zu beachten.
Die Aufgaben von Betreuern und Bevollmächtigten beim Umgang mit Patientenverfügungen und bei der Feststellung des Patientenwillens wurden geregelt.
Bei schwerwiegenden Entscheidungen über die Einwilligung, Nichteinwilligung oder den Widerruf einer Einwilligung ist eine Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich, wenn zwischen Betreuer bzw. Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt Zweifel über den festgelegten Wi...

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