Rz. 193

Mit der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts trat zum 1.1.2023 § 1358 BGB in Kraft, welcher das Ehegattenvertretungsrecht normiert. Bei bestehender Unfähigkeit des einen Ehegatten, seine Angelegenheiten aufgrund von Krankheit oder Bewusstlosigkeit zu besorgen, soll dem anderen Ehegatten gemäß § 1358 BGB die Möglichkeit gegeben werden, ihn für eine beschränkte Zeit bei Vorliegen der Voraussetzungen wirksam bei Maßnahmen, die nicht aufgeschoben werden können,[313] zu vertreten.

Das Ehegattenvertretungsrecht ist weder ein umfassendes Vertretungsrecht, da es lediglich die Gesundheitssorge und diesbezügliche Maßnahmen betrifft, noch ein reines Notvertretungsrecht.[314] In bestimmten Situationen, gerade auch am Lebensende, kann zwar das Durchlaufen eines formalen Betreuungsverfahrens hierdurch vermeiden werden, im Ergebnis kann es jedoch keine Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung ersetzen. Diese sind zu errichten.

 

Rz. 194

Das Ehegattenvertretungsrecht ist eine vollmachtlose Vertretungsmöglichkeit, welche die Einrichtung einer Betreuung entbehrlich macht. Ziel ist unter anderem die Einsparung von Kosten für die Gerichte.[315]

Sollte der vertretende Ehegatte selbst geschäftsunfähig werden, spricht dies für den Wegfall des Vertretungsrechts als allgemeiner Ausschlussgrund,[316] was folglich zu der Notwendigkeit einer Betreuung führt.

 

Rz. 195

Andere europäische Länder kennen ein Ehegattenvertretungsrecht nicht. In Österreich besteht die Möglichkeit der Einrichtung eines Erwachsenenvertretungsrechts durch einen oder mehrere Angehörige gemäß §§ 268–270 ABGB. Dieses ist auf drei Jahre befristet, kann jedoch erneuert werden.[317] In der Schweiz kann gemäß Art. 374 ff. ZGB eine beschränkte gesetzliche Angehörigenvertretung eingeräumt werden. In Norwegen ist eine Vertretung für Ehegatten und nahe Verwandte ebenfalls möglich, wenn eine Person aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, ihre Angelegenheiten zu erledigen.[318]

[313] Grüneberg/Siede, § 1358 Rn 5; Kraemer, BtPrax 2021, 208, 209; BT-Drucks 19/24445, 179 f.; Dutta, FamRZ 2020, 1881, 1882 (nicht unaufschiebbar betreffend § 1358 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
[314] Kraemer, BtPrax 2021, 208, 209.
[315] Kraemer, BtPrax 2021, 208; Spickhoff, FamRZ 2022, 1897.
[316] Kurze, Die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, § 10 Rn 32; BT-Drucks 19/24445, 183.
[317] Lagger-Zach, BtPrax 2022, 93, 95 mit kurzer Erläuterung zum österreichischen Angehörigenvertretungsrecht.
[318] BT-Drucks 19/24445, 116 ff.; Spickhoff, FamRZ 2022, 1897, 1898.

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