1. Allgemeines
Rz. 110
Die steuerlichen Folgen der Herausgabe wegen eines (gesetzlichen oder vertraglichen) Rückforderungsrechts regelt § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Diese "Steuerstorno" führt zur Rückabwicklung des Steuerfalls bei gleichzeitiger Schenkungsteuerfreiheit der Rückgabe des Geschenks. Dabei muss die Herausgabe tatsächlich stattfinden; die (bloße) Anspruchsinhaberschaft reicht steuerlich also nicht aus, selbst dann nicht, wenn ein entsprechender Titel vorliegt.
Rz. 111
Auch ein "freies" Rückforderungsrecht oder eine Kumulation von Rückforderungsrechten nebst Vereinbarung weiterer Rechte für den Veräußerer, z.B. ein Vorbehaltsnießbrauch oder eine Finanzierungsvollmacht (siehe Rdn 130>), stehen einer Anerkennung der Schenkung i.S.d. Schenkungsteuerrechts wohl grundsätzlich nicht entgegen(siehe Rdn 119>).
Rz. 112
Das Rückforderungsrecht muss tatsächlich bestehen. Es genügt etwa keinesfalls, eine Schenkung ohne Vorliegen des Tatbestands des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG "aufzuheben". Eine solche Aufhebung stellt eine weitere schenkungsteuerpflichtige (Rück-)Schenkung dar, was bei den dann regelmäßig zur Verfügung stehenden Freibeträgen und Steuersätzen zu einer erheblichen Steuer führen kann. Die fehlgelaufene Rückabwicklung einer Schenkung wird steuerlich nicht zu Unrecht als "größter anzunehmender Unfall" bezeichnet.
Rz. 113
Zwischen dem ursprünglich erhaltenen und dem herauszugebenden Vermögensgegenstand muss – ähnlich wie im Rahmen eines Vermögensrückfalls i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG (siehe § 6 Rdn 127>) – "Art- und Funktionsgleichheit" bestehen. Ausreichend als Herausgabe i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kann auch die Hingabe von Surrogaten sein, z.B. die Abtretung des Auszahlungsanspruchs nach Einzahlung eines geschenkten Geldbetrags in eine Lebensversicherung.
2. Zeitpunkt der Einräumung des Rückforderungsrechts
Rz. 114
Das Rückforderungsrecht muss bereits im ursprünglichen Schenkungsvertrag vorbehalten worden sein. Die nachträgliche Einräumung durch den Beschenkten stellt eine steuerpflichtige Rückschenkung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar, aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Ausübung des zugewandten Gestaltungsrechts. Ob bei Grundstückschenkungen im ursprünglichen Vertrag vergessene (aber gewollte) Rückübertragungsrechte im Rahmen einer nachträglichen (zivilrechtlich wirkenden) Heilung i.S.d. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB auch steuerlich anerkannt werden, wird wohl zu verneinen sein.
3. Wegfall der Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 BGB
Rz. 115
In der Praxis kommt es im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge regelmäßig zu im Vorfeld unerkannten bzw. ungewollten Steuerfolgen, die neben der Einkommen- und der Grunderwerbsteuer insbesondere die Schenkungsteuer betreffen. Zu beachten ist, dass das später erlangte Bewusstsein über das Bestehen einer Schenkungsteuerpflicht grundsätzlich nicht für die Bejahung eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 BGB ausreicht. Auch die endgültige Höhe der Schenkungsteuer stellt für sich allein nur einen unbeachtlichen Irrtum im Beweggrund dar.
Rz. 116
Ferner geht die steuerliche Anerkennung einer Rückgängigmachung auf Grundlage des § 313 BGB durch die Finanzverwaltung in der Praxis regelmäßig mit Unsicherheiten einher. Zivilrechtlich sieht § 313 Abs. 1 BGB nämlich zunächst die Vertragsanpassung vor. Nur wenn eine solche unmöglich oder unzumutbar ist, besteht für den Vertragspartner gem. § 313 Abs. 2 S. 1 BGB die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten. Eine Rückforderung sollte daher ihrerseits wiederum unter dem Vorbehalt der Rückgängigmachung für den Fall der Nichtanerkennung durch das Finanzamt durchgeführt werden. So kann eine etwaige Besteuerung einer Rückschenkung gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vermieden werden.
4. Auflösende Bedingung
Rz. 117
In der Gestaltungspraxis sollten automatische Rückabwicklungen auf Grundlage von auflösenden Bedingungen eher restriktiv behandelt werden. In der Regel wird es im Rahmen der vertraglichen Rückforderung sinnvoll sein, deren Ausübung in die Disposition des Rückübertragungsberechtigten zu stellen. Beispielsweise kann die Erbfolge im Falle des Vorversterbens des Erwerbers oder die Veräußerung des Erwerbsgegenstandes den Wünschen des Rückforderungsberechtigten entsprechen.
Rz. 118
Ein Verzicht des Berechtigten auf die Rückabwicklung bei Eintritt einer auflösenden Bedingung stellt eine steuerpflichtige Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Allerdings kommt es dann nicht zu einer doppelten Besteuerung, da die "Stornowirkung" des § 29 Abs. 1 ErbStG sowohl hinsichtlich der ersten Schenkung als auch hinsichtlich der Rückabwicklung eintritt. Der Verzicht stellt dann eine erneut...