I. Allgemeines
Rz. 178
Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge kommt als Alternative zur unentgeltlichen Übertragung mit Gegenrechten bzw. Auflagen ein vollentgeltlicher Verkauf einer Immobilie an die nächste Generation in Betracht.
II. Zivilrecht
Rz. 179
Zivilrechtlich erfolgt die Übertragung im Wege eines Kaufs durch die nächste Generation. Beim Kauf ist im Lichte der künftigen Versorgungsbedürfnisse der übertragenden Generation im Einzelfall zwischen erhaltenem Kaufpreis und lebenslangem Vorbehaltsnießbrauch abzuwägen. Denkbar ist in diesem Zusammenhang auch ein teilentgeltlicher Verkauf mit (Quoten-)Vorbehaltsnießbrauch bezüglich des unentgeltlichen Teils.
III. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 180
Die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Effekte einer unentgeltlichen Übertragung mit Gegenrechten bzw. Auflagen (siehe § 1 Rdn 2>) greifen bei einer entgeltlichen Übergabe freilich nicht.
Hinweis
Im Regelfall wird als Verkaufsgegenstand nicht ein von der übertragenden Generation selbstgenutztes, sondern in erster Linie fremdvermietetes Grundeigentum in Betracht kommen. Eine unentgeltliche (Rück-)Nutzungsüberlassung durch den Erwerber stellt nämlich eine steuerbare Wohnleihe (siehe § 14 Rdn 1 ff.>) dar, zu deren Vermeidung grundsätzlich nur eine (einkommensteuerbare) Vermietung in Betracht kommt.
IV. Einkommensteuer
1. Zurechnung der Einkünfte
Rz. 181
Der wesentliche ertragsteuerliche Effekt einer vollentgeltlichen Übertragung gegenüber dem Vorbehaltsnießbrauch ist der Wechsel der Zurechnung der Vermietungseinkünfte. Durch die Verlagerung von Mieteinkünften auf die jüngere Generation können sich in der Gesamtschau zusätzliche Progressionsvorteile erzielen, mithin ein "Familiensplitting" gestalten lassen.
Hinweis
Die Zurechnung von Einkünften kann stets auch Auswirkungen auf andere Ebenen haben (z.B. im Rahmen der Krankenversicherung, Beihilfe oder des BAföG).
2. Generierung von Abschreibungspotenzial
Rz. 182
Bei einer entgeltlichen Immobilienübertragung handelt es sich einkommensteuerrechtlich um einen Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang. Wird der Verkauf auf Basis des aktuellen Verkehrswerts (hierzu sollte ein entsprechendes Sachverständigengutachten eingeholt werden) vereinbart, kann bei vermieteten Objekten neues Abschreibungspotenzial für die nächste Generation generiert werden ("AfA-Step up"). Der Käufer kann seine Anschaffungskosten gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 EStG im Wege der Absetzung für Abnutzung im Rahmen seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 EStG geltend machen. Zur Ermittlung der Restnutzungsdauer i.S.d. § 7 Abs. 4 EStG bietet sich ein Sachverständigengutachten an.
Rz. 183
Schuldzinsen, die im Rahmen der Finanzierung des Kaufpreises in Zusammenhang stehen, können gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG als Werbungskosten abgesetzt werden.
Bei einer Darlehensgewährung des Kaufpreises durch die übertragende Generation (Verkäuferdarlehen) unterliegt die Versteuerung der Zinszahlungen nicht der Abgeltungsteuer, vielmehr werden Kapitalerträge unter "nahestehende Personen" mit der tariflichen Einkommensteuer besteuert, § 32d Abs. 2 Nr. 1a lit. a EStG. Zinslose Darlehen wiederum können ungewollte steuerliche Folgen haben (siehe § 13 Rdn 1 ff.>).
Rz. 184
Eine entgeltliche Übertragung eines Grundstücks kann als privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG im Übrigen stets eine Einkommensbesteuerung auslösen (siehe § 12 Rdn 2 ff.>).
3. Anerkennung durch das Finanzamt
Rz. 185
Um eine einkommensteuerrechtliche Anerkennung durch das Finanzamt unter nahen Angehörigen i.S.d. § 15 AO zu erreichen, muss der zugrunde liegende Kaufvertrag zivilrechtlich wirksam geschlossen sein und die Gestaltung und Durchführung des Vereinbarten müssen dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen.
Hinweis
Die Finanzverwaltung könnte bei Vereinbarung eines Verkäuferdarlehens bei fortgeschrittenem Alter des Veräußerers die Anerkennung der entgeltlichen Übertragung insgesamt in Frage stellen, da dann mit einer vollständigen Tilgung des Kaufpreises nicht gerechnet werden kann. Um hier Vorsorge zu treffen, sollten wirtschaftlich beachtliche Gründe für die Wahl des Übertragungsweges vorgehalten und im Idealfall im Überlassungsvertrag dokumentiert werden.
V. Grunderwerbsteuer
Rz. 186
Grundsätzlich unterliegt die entgeltliche Immobilienübertragung auf die nächsten Generationen der Grunderwerbsteuer, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Allerdings greift in der Regel die Ausnahme von der Besteuerung gem. § 3 Nr. 6 GrEStG. Danach ist der Erwerb eines Grundstücks durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind (auch adoptierte Abkömmlinge und Stiefkinder), steuerfrei.