Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 75
Die vorstehende Empfehlung hat vor allem dann besondere Bedeutung, wenn es darum geht, bei Zuwendungen an behinderte Menschen im Rahmen des Bedürftigen-/Behindertentestaments oder lebzeitiger Zuwendungen zu prüfen, ob dem behinderten Menschen etwas zugewendet werden kann, ohne dass es in einem nachrangigen Leistungssystem (z.B. SGB II, SGB XII oder SGB IX) auf den Bedarf angerechnet wird.
Rz. 76
Menschen mit Behinderungen kommen aus dem Beihilferecht keine vergleichbaren Beihilfeleistungen wie bei Pflegebedürftigkeit zugute. Menschen mit Behinderung sind nämlich nicht zwingend pflegebedürftig. Sie benötigen nicht selten neben oder anstelle von Hilfe zur Pflege Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 90 ff. SGB IX.
Rz. 77
Die Abgrenzung der Eingliederungshilfe von der Hilfe zur Pflege ist im Einzelfall schwierig:
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Hilfe zur Pflege erhalten Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Pflegebedürftige Personen im Sinne dieser Definition können körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen. |
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Eingliederungshilfe erhalten Menschen mit Behinderung, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. |
Rz. 78
Die Hilfe zur Pflege hat in erster Linie bewahrenden Charakter. Die Eingliederungshilfe zielt primär zukunftsgerichtet auf eine Behebung oder Milderung der Folgen der Behinderung und auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ab. Eine Leistung der Eingliederungshilfe scheidet nicht schon deshalb aus, weil angesichts des Alters und der Schwere einer Erkrankung beim Hilfesuchenden nur noch Hilfe zur Pflege in Betracht kommt und die Aufgabe der Eingliederungshilfe – die Ermöglichung von Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – von vornherein nicht mehr erfüllt werden kann. Leistungen der Eingliederungshilfe müssen nicht notwendig auf eine möglichst vollständige gesellschaftliche Integration gerichtet sein. Es reicht aus, wenn durch die Hilfen noch eine vom Berechtigten als Verbesserung seiner Gesamtsituation anzusehende Erleichterung seiner behinderungsbedingten Lage erreicht wird; dementsprechend kann die weite Beschreibung der Aufgaben und Ziele der Eingliederungshilfe durchaus dazu führen, dass sie – auch bei Pflegebedürftigkeit – lebenslang zu gewähren ist.
Rz. 79
§ 103 SGB IX regelt den Fall, dass ein Mensch beide Leistungsarten nebeneinander benötigt. Werden Leistungen der Eingliederungshilfe außerhalb von Einrichtungen oder Räumlichkeiten i.S.d. § 43 a i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI erbracht, umfasst die Leistung auch die Leistungen der häuslichen Pflege nach den §§ 64a–64f, 64i und 66 SGB XII, solange die Teilhabeziele nach Maßgabe des Gesamtplans (§ 121 SGB IX) erreicht werden können, es sei denn, der Leistungsberechtigte hat vor Vollendung des für die Regelaltersrente i.S.d. SGB VI erforderlichen Lebensjahres keine Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten.
Rz. 80
Werden Leistungen der Eingliederungshilfe in Einrichtungen oder Räumlichkeiten i.S.d. § 43a i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI erbracht, umfasst die Leistung auch die Pflegeleistungen in diesen Einrichtungen oder Räumlichkeiten. Stellt der Leistungserbringer fest, dass der Mensch mit Behinderungen so pflegebedürftig ist, dass die Pflege in diesen Einrichtungen oder Räumlichkeiten nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Eingliederungshilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Leistungserbringer, dass die Leistung bei einem anderen Leistungserbringer erbracht wird.
Rz. 81
Eingliederungshilfeleistungen sind nicht beihilfefähig. Eine Sonderregelung im Rahmen der Eingliederungshilfe stellt § 39a BBhV dar. Danach sind auch Aufwendungen für Pflege und Betreuung in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen, beihilfefähig. Die Beihilfefähigkeit ist durch den Verweis auf § 43a SGB XI auf 266 EUR monatlich gedeckelt. Mit dieser Regelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass im Rahmen der Eingliederungshilfe auch – wenn auch nur zu einem geringen Teil – Leistungen erbracht werden, die in erster Linie Pflegeleistungen darstellen. An den Kosten für diese Leistungen soll die Beihilfestelle beteiligt werden.
Rz. 82
Fazit
Beziehen behinderte Menschen Eingliederungshilfeleistungen, dann kann das Beihilferech...