Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 83
Behinderte "Beamten-Kinder" können lebenslange, abgeleitete Ansprüche nach ihren Eltern erhalten, die sich vom sonstigen Recht der sozialen Sicherung deutlich unterscheiden. Im Zentrum der Tatbestandsvoraussetzungen steht die Unfähigkeit, sich aus eigenen Mitteln unterhalten zu können. Diese Unfähigkeit kann zu beamtenrechtlichen Leistungen führen, mit denen ein behindertes Kind seinen existenziellen und/oder pflegebedingten Bedarf möglicherweise vollständig decken kann. Dann kommt es darauf an, welcher sonstige Bedarf noch zu decken ist und ob die Bedarfsdeckung durch Sozialleistungen nachrangig ausgestaltet ist. Wird Eingliederungshilfe nach SGB IX geleistet, sind Zuwendungen aus Erbfall und Schenkung kein Einkommen, sondern Vermögen, und es gilt ein hoher Vermögensschonbetrag nach § 139 SGB IX. Deshalb nachfolgend ein ergänzender Exkurs zu beamtenrechtlichen Ansprüchen behinderter "Kinder".
a) Behinderte Kinder und die Beihilfeberechtigung
Rz. 84
So wie Beamte und ihre Ehegatten und Lebenspartner bei Pflegebedürftigkeit in der Regel nicht sozialhilfebedürftig werden, so kann das auch für die notwendigen Pflegekosten ihrer behinderten – ggf. auch erwachsenen – Kinder gelten. Dies wird nachfolgend beispielhaft an den Normen der Bundesbeihilfeverordnung erläutert.
Rz. 85
Die berücksichtigungsfähigen Personen werden in § 5 BBhV definiert. Kinder sind danach in der Beihilfe berücksichtigungsfähig, wenn sie beim Familienzuschlag der beihilfeberechtigten Person nach dem Besoldungs- und Versorgungsrecht berücksichtigungsfähig sind. Das hängt gem. § 40 Abs. 2 S. 1 BBesG ausschließlich davon ab, ob dem Beamten für sein behindertes Kind Kindergeld zusteht oder nicht. Die Beihilfeberechtigung für ein Kind knüpft – ebenso wie die Gewährung des kinderbezogenen Familienzuschlags für dieses Kind – an die Kindergeldberechtigung an. Die Kindergeldberechtigung und daran anknüpfend die Beihilfeberechtigung für ein behindertes Kind kann lebenslang bestehen. Sie setzt nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG, § 5 BBhV oder entsprechenden Normen des Landesrechts nach § 40 Abs. 2 S. 1 BBesG voraus, dass das Kind wegen der Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, ist anzunehmen, wenn die Berechnung nach dem Monatsprinzip ergibt, dass die Mittel, die zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs (Grundbedarfs) und des individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarfs erforderlich sind, die dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel zum Lebensunterhalt übersteigen. Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen. Auf der einen Seite steht der allgemeine Lebensbedarf. Das ist ein am Existenzminimum orientierter Betrag. Zur Bemessung des Grundbedarfs wird nach der Rechtsprechung an den Grundfreibetrag i.S.d. § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG (9.744 EUR p.a. = 812 EUR monatlich in 2021) angeknüpft sowie an den behinderungsbedingten Mehrbedarf, der je nach Grad der Behinderung pauschaliert nach § 33b EStG oder im Sinne eines konkreten Einzelnachweises ermittelt wird (2021 sind das z.B. bei einem GdB von 80 nach § 33b Abs. 3 EStG pauschal 2.120 EUR p.a. = 176,66 EUR monatlich). Auf der anderen Seite stehen die Mittel des behinderten Kindes. Bleiben sie unter dem ermittelten Betrag, besteht Kindergeldberechtigung. Übersteigen sie den Bedarf, dann entfällt die Kindergeldberechtigung und der Beihilfeanspruch entfällt.
Rz. 86
Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören zum einen seine Einkünfte, wie z.B. Arbeitsentgelt, Lohnersatzleistungen, Rentenleistungen, SGB XII-Leistungen, Eingliederungshilfe nach SGB IX, Pflegegeld, Blindengeld etc., und zum anderen auch seine Bezüge. Unter den Begriff der Bezüge fallen alle Zuflüsse in Geld oder Naturalleistungen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden, also nicht steuerbare oder steuerfreie Einnahmen. U.a. wurde dies auch für einen Lottogewinn bejaht, die Übertragung von Vermögen von Eltern auf ihre Kinder, die Beteiligung am Nachlass nach einem verstorbenen Elternteil führt aber nicht zu einem Bezug des Kindes i.S.v. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG. Für andere Erbfälle ist die Entscheidung offengeblieben und im Hinblick auf die Lottoentscheidung des BFH, bei der der BFH auch einen Lottogewinn als Bezug angesehen hat, nicht sicher zu prognostizieren. In der DA-KG sind die Erbschaften nicht enthalten. Andererseits gehört das Vermögen eines behinderten Kindes ausdrücklich nicht zu den kindeseigenen Mitteln. Das BVerfG hat zu einer Fassung von § 32a Abs. 4 EStG (1998) entschieden, dass das Gesetz verfassungskonform so auszulegen ist, dass Bezüge und Einkünfte des Kindes nur dann in den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG einfließen dürfen, wenn sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsaus...