A. Anzeigepflichtige Erwerbe
Rz. 1
Jeder der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterliegende Erwerb i.S.d. § 1 ErbStG ist anzeigepflichtig, § 30 ErbStG. Ist zweifelhaft, ob ein steuerpflichtiger Erwerb vorliegt, ist der Erwerber ebenfalls zur Anzeige verpflichtet. Dies kann z.B. bei einem Erbprätendentenstreit oder einer gemischten Schenkung der Fall sein.
Hinweis
Im Rahmen der Anzeigeverpflichtung kann nicht relevant sein, ob ein Erwerber der Meinung ist, dass ein Erwerb z.B. als steuerfreies übliches Gelegenheitsgeschenk (Weihnachten, Geburtstag etc.) i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG (siehe § 6 Rdn 110 ff.>) oder als vom Freibetrag i.S.d. § 16 ErbStG (siehe § 5 Rdn 1>) erfasst ist. Die Entscheidung darüber, ob ein Vorgang steuerpflichtig ist, trifft zunächst die Finanzverwaltung, was eine Kenntnis des Sachverhalts voraussetzt. Wie allerdings seitens der Finanzämter der Verarbeitung bzw. Prüfung sämtlicher Erwerbe (etwa zu Weihnachten) nachgekommen werden soll, ist fraglich.
B. Anzeigepflichtige Erwerber
Rz. 2
Bei Erwerben von Todes wegen gem. § 3 ErbStG, also insbesondere
ist der Erwerber anzeigepflichtig, § 30 Abs. 1 ErbStG.
Rz. 3
Bei einem Rechtsgeschäft unter Lebenden gem. § 7 ErbStG, also insbesondere Schenkungen i.S.d. §§ 518 ff. BGB, ist zur Anzeige neben dem Erwerber auch derjenige verpflichtet, aus dessen Vermögen der Erwerb stammt, § 30 Abs. 2 ErbStG. Es wird vertreten, dass für den Schenker die Anzeigepflicht entfällt, wenn ihm bekannt ist, dass der Erwerber den Erwerbsvorgang ordnungsgemäß angezeigt hat. Der Wortlaut des § 30 Abs. 2 ErbStG lässt eine solche Auslegung wohl nicht zu, daher sollte sicherheitshalber eine "doppelte" Anzeige vorgenommen werden.
Bei mehreren Erwerbern ist jeder einzelne zur Anzeige verpflichtet. Möglich ist allerdings, dass ein Beteiligter auch gleichzeitig die Erwerbe der übrigen Beteiligten mit anzeigt.
C. Form und Inhalt der Anzeige
Rz. 4
Die Anzeige muss schriftlich erfolgen, § 30 Abs. 1 ErbStG. Möglich ist diese auch elektronisch mit qualifizierter Signatur (§ 87a AO), wenn das Finanzamt einen entsprechenden Zugang geschaffen hat.
Rz. 5
Die Anzeige soll gem. § 30 Abs. 4 ErbStG folgende Angaben enthalten:
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Vorname und Familienname, Identifikationsnummer (§ 139b AO), Beruf, Wohnung des Erblassers oder Schenkers und des Erwerbers; |
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Todestag und Sterbeort des Erblassers oder Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung; |
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Gegenstand und Wert des Erwerbs; |
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Rechtsgrund des Erwerbs wie gesetzliche Erbfolge, Vermächtnis, Ausstattung; |
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persönliches Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder zum Schenker wie Verwandtschaft, Schwägerschaft, Dienstverhältnis; |
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frühere Zuwendungen des Erblassers oder Schenkers an den Erwerber nach Art, Wert und Zeitpunkt der einzelnen Zuwendung. |
Hinweis
Hierbei handelt es sich um Soll-Vorgaben. Grundsätzlich muss die Anzeige dem zuständigen Finanzamt die Möglichkeit eröffnen, weitere Ermittlungen anzustellen. In der Praxis ist dem Erwerber regelmäßig der (steuerliche) Wert seines Erwerbs nicht bekannt, so dass es ausreichend ist, in solchen Fällen zunächst keine Angaben dazu zu machen. Teilweise stellen die Finanzämter Formulare zum Download zur Verfügung.
D. Ausnahmen von der Anzeigepflicht
I. Lebzeitiger Erwerb
Rz. 6
Einer Anzeige bedarf es nach § 30 Abs. 3 S. 2 ErbStG nicht, wenn eine Schenkung unter Lebenden oder eine Zweckzuwendung gerichtlich oder notariell beurkundet worden ist. Dies gilt also insbesondere für lebzeitige Übertragungen von Grundvermögen. Hintergrund ist, dass § 34 Abs. 1 ErbStG eine Anzeigepflicht durch die Notariate vorsieht.
Hinweis
Bei einer Veräußerung (Kaufvertrag) unter nahen Angehörigen zu einem Kaufpreis, der dem Fremdvergleich nicht Stand hält (gemischte Schenkung), wird das Notariat Mangels Kenntnis der Bedeutung des Vorgangs für die Festsetzung einer Erbschaftsteuer i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG u.U. keine Anzeige vornehmen. In solchen Konstellationen sollte jedenfalls eine entsprechende Anzeige – im Lichte der Konsequenzen bei einem Unterlassen (siehe Rdn 13 ff.>) – durch den Mandanten veranlasst werden.
II. Erwerb von Todes wegen
Rz. 7
Einer Anzeige bedarf es nach § 30 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 ErbStG für einen Erwerb von Todes wegen nicht, wenn dieser auf einer von einem deutschen Gericht, einem deutschen Notar oder einem deutschen Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt. "Verhältnis" meint das Rechtsverhältnis zwischen dem Erwerber und dem Erblasser, das Grundlage des Erbschafts- bzw. Schenkungstatbestands ist. Sind mehrere Erwerber an einem Erwerb beteiligt (z.B. mit Erben und Vermächtnisnehmer) ist grundsätzlich jeder hinsicht...