Rz. 305

Sind beide Parteien anwaltlich vertreten, kann eine wesentlich erleichterte und auch kostengünstigere Zustellung von Anwalt zu Anwalt gegen Empfangsbekenntnis nach § 195 ZPO erfolgen. Dabei soll in dem zuzustellenden Schriftsatz ausdrücklich auf die Zustellung von Anwalt zu Anwalt hingewiesen werden.

 

Rz. 306

Die Zustellung von Anwalt zu Anwalt kommt grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Anwalt sich selbst vertritt, wenn er Partei kraft Amtes ist oder als gesetzlicher oder organschaftlicher Vertreter handelt. Dagegen ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift eine Erweiterung auf den Kreis der kraft ihres Berufes als zuverlässig geltenden Personen i.S.d. § 174 ZPO nicht möglich.

 

Rz. 307

Der zustellende Rechtsanwalt muss deutlich machen, dass er einen Zustellungswillen hat. Dies dokumentiert er dadurch, dass er im Schriftsatz gem. § 195 Abs. 1 S. 3 ZPO ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich um eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt handelt und indem er ein entsprechendes Empfangsbekenntnis[228] dem zuzustellenden Schriftstück beifügt. Dagegen reicht eine formlose Übersendung nicht aus, weil hierin der Zustellungswille nicht zum Ausdruck kommt.

 

Rz. 308

Die Zustellung von Anwalt zu Anwalt ist nach § 195 Abs. 1 S. 2 ZPO grundsätzlich auch bei Schriftsätzen möglich, die von Amts wegen in einem gerichtlichen Verfahren zuzustellen sind, wenn nicht zugleich eine gerichtliche Anordnung mitzuteilen ist, etwa eine Klageerwiderungsfrist oder Ähnliches. Der Hauptanwendungsfall liegt bei Klageerweiterungen, Klageänderungen und Widerklagen, da die übrigen Schriftsätze nach § 270 ZPO keiner förmlichen Zustellung bedürfen.

 

Rz. 309

 

Tipp

Immer häufiger lässt sich feststellen, dass der gerichtliche Kanzleibetrieb überlastet ist und die Weiterleitung von Schriftsätzen Wochen, in Einzelfällen sogar Monate in Anspruch nimmt – ein Zeitraum, in dem auch dem erkennenden Gericht in Form des konkreten Einzelrichters oder Berichterstatters die Akten zur Förderung des Verfahrens nicht vorliegen. Deshalb kann gerade die betreibende Partei durch die Nutzung der Zustellung von Anwalt zu Anwalt das Verfahren beschleunigen.

 

Rz. 310

Von Anwalt zu Anwalt können dagegen keine Willenserklärungen nach § 132 ZPO zugestellt werden, da diese ausweislich des eindeutigen Wortlautes die Einschaltung des Gerichtsvollziehers voraussetzen. Gleichwohl kann allerdings der Zugang einer Willenserklärung durch die Vorlage eines Empfangsbekenntnisses oder einer Zustellbescheinigung des gegnerischen Anwaltes nachgewiesen werden. Es handelt sich in diesen Fällen lediglich nicht um eine förmliche Zustellung.

 

Rz. 311

Das zuzustellende Schriftstück kann dem Anwalt persönlich übergeben werden, mittels der Post, eines Boten oder des Gerichtsvollziehers übersandt werden. § 195 Abs. 1 S. 5 ZPO verweist sodann auf § 174 Abs. 4 S. 2–4 ZPO,[229] so dass die Zustellung von Anwalt zu Anwalt auch mittels Telefax und mittels eines elektronischen Dokumentes erfolgen kann. Wegen der Einzelheiten kann insoweit auf die vorstehenden Ausführungen unter Rdn 109–111 verwiesen werden.

 

Rz. 312

Der Zustellungsempfänger kann von dem zustellenden Anwalt nach § 195 Abs. 2 S. 3 ZPO eine Bescheinigung über die erfolgte Zustellung[230] verlangen, da der gegnerische Anwalt anderenfalls keine Möglichkeit hat, seinerseits nachzuweisen, dass ihm das Schriftstück zugestellt wurde. Das Verlangen kann auf dem Empfangsbekenntnis[231] vermerkt werden.

 

Rz. 313

 

Tipp

Sieht das Empfangsbekenntnis des zustellenden Rechtsanwaltes dies nicht vor, kann der empfangende Rechtsanwalt ein eigenes Empfangsbekenntnis nach der Mustervorlage fertigen und zurücksenden.

[228] Siehe hierzu das Muster unter Rdn 355.
[229] I.d.F. des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten v 10.10.2013 mit Wirkung vom 1.1.2018.
[230] Hierzu das Muster der anwaltlichen Zustellungsbescheinigung unter Rdn 356.
[231] Siehe hierzu das Muster unter Rdn 355.

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