Rz. 10

Das Zustellungsrecht der Zivilprozessordnung wurde mit dem Zustellungsreformgesetz vom 25.6.2001, welches mit Wirkung zum 1.7.2002 in Kraft getreten ist,[3] gänzlich neu strukturiert und zugleich gestrafft. Aufgrund der langen Vorlaufzeit zwischen der Veröffentlichung und dem Inkrafttreten wurde auf eine Übergangsregelung verzichtet, so dass das neue Recht für alle ab dem 1.7.2002 bewirkten Zustellungen unmittelbar Anwendung findet.

 

Rz. 11

Die früher in den §§ 166–213a ZPO a.F. enthaltenen Regelungen finden sich nunmehr in den §§ 166195 ZPO.[4] Dabei wurde die in der Praxis wesentlich bedeutendere Zustellung von Amts wegen in den §§ 166190 ZPO an den Anfang gestellt und die Zustellung im Parteibetrieb[5] nur noch mit ihren Abweichungen in den §§ 191195 ZPO einer gesonderten Regelung zugeführt. Dies muss berücksichtigt werden, wenn ältere Rechtsprechung herangezogen wird.

 

Rz. 12

Mit der Einführung der Zustellung durch Einschreiben/Rückschein sowie erleichterten Möglichkeiten der Ersatzzustellung und der Niederlegung hat die Reform wesentliche Erleichterungen gegenüber der alten Zustellungspraxis hervorgebracht.

 

Rz. 13

Die Zustellung von Schriftstücken in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist inzwischen durch die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten[6] geregelt, die die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen,[7] abgelöst hat. Die geltende Verordnung stellt unmittelbares nationales Recht dar.

 

Rz. 14

Die zivilprozessuale Regelung über die Zustellung von Amts wegen findet dabei auch in anderen Verfahrensordnungen mit zum Teil nur geringfügigen Abweichungen Anwendung:

im Strafprozess, § 37 Abs. 1 S. 1 StPO,
in Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), § 15 Abs. 2 FamFG,
im Insolvenzverfahren, § 4 InsO,
im Zwangsversteigerungsverfahren, § 3 ZVG,
im Verwaltungsverfahren, § 3 Abs. 2 S. 1 VwZG,
im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, § 56 Abs. 2 VwGO,
im arbeitsgerichtlichen Verfahren, § 50 Abs. 1 S. 1 ArbGG,
im sozialgerichtlichen Verfahren, § 63 Abs. 2 SGG,
im finanzgerichtlichen Verfahren, § 53 Abs. 2 FGO.
 

Rz. 15

Letztlich wurde mit der Neuregelung der Weg für den Einzug der modernen Kommunikation in das Zustellungsrecht geebnet. Nicht nur das Telefax, sondern auch die elektronische Versendung eines Dokumentes können unter weiteren Voraussetzungen jetzt als Zustellungsmedien genutzt werden. Aufgrund des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl I S. 3786) sind darüber hinaus die Vorschriften an die Bedürfnisse des elektronischen Rechtsverkehrs angepasst worden (§§ 130a, b, 174 Abs. 3, 4, 371 a, 416 a ZPO).

Ergänzt werden die Regelungen über die Zustellung in der ZPO durch die Gerichtsvollziehergeschäftsanweisungen (GVGA), die Zustellungs- und Rechtshilfeverordnung (ZRHO), das Haager Zustellungsübereinkommen (HZÜ) sowie die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten,[8] i.d.F. der Verordnung (EU) Nr. 517/2013,[9] sowie das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark vom 19.10.2005.[10]

 

Rz. 16

In der nachfolgenden Darstellung wird auf die Regelung im alten Zustellungsrecht der ZPO insoweit verwiesen, als auf die hierzu ergangene Rechtsprechung auch in Zukunft zurückgegriffen werden kann, weil die bisherige Regelung ohne sachliche Änderung ins neue Recht übernommen worden ist.

[3] BGBl I 2001, S. 1206, geändert durch Art. 5 Abs. 4 SchuModG v. 26.11.2001, BGBl I 2001, S. 3138.
[4] Eine Synopse der alten und neuen Regelungen findet sich bei Hartmann, NJW 2001, 2577, 2579. Die Rechtsprechung zu den §§ 166–213a ZPO a.F. kann insoweit weiter herangezogen werden, als die alten Regelungen in die Neufassung übernommen wurden.
[5] Zur Frage, wann eine Zustellung im Parteibetrieb in Betracht kommt, vgl. die Checkliste unter Rdn 293 ff.
[6] ABl L 324 vom 10.12.2007, S. 79.
[7] AblEG 2001 L 160, S. 37.
[8] ABl L 324 vom 10.12.2007, S. 79.
[9] ABl L 158 v. 10.6.2013, S. 1.
[10] ABl L 300 v. 17.11.2005, S. 55.

I. Die Zustellung von Amts wegen

 

Rz. 17

Entsprechend der "Zustellungswirklichkeit" regelt die ZPO in den §§ 166190 ZPO die Zustellung von Amts wegen als häufigste Zustellungsart am Beginn und als gesetzliches Leitbild, welches bei anderen Zustellungsarten dann nur noch Modifikationen erfährt.

1. Der Begriff der Zustellung

 

Rz. 18

Nach § 166 Abs. 1 ZPO ist die Zustellung die Bekanntgabe eines Schriftstücks an eine Person in der vorgeschriebenen Form.

 

Rz. 19

Über diese gesetzliche Legaldefinition der Bekanntgabe hinaus hat die Zustellung allerdings die...

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