Rz. 87

Als neue Zustellungsart hat § 175 ZPO mit dem Zustellungsreformgesetz das Einschreiben mit Rückschein eingeführt, das gegenüber der Zustellungsurkunde die kostengünstigere Variante darstellt. Damit wird eine Angleichung an die Zustellung im Verwaltungsverfahren (§ 4 VwZG) und an die Auslandszustellung (vgl. § 183 Abs. 1 S. 2 ZPO) erreicht.

 

Rz. 88

 

Hinweis

Das Einschreiben mit Rückschein ist von dem von verschiedenen Postunternehmen angebotenen "Einwurf-Einschreiben" zu unterscheiden![58] Dies sieht weder eine Übergabe des Schriftstücks an den Adressaten noch die Rücksendung eines Rückbriefs vor und ist deshalb zur Zustellung ungeeignet.[59] Jedenfalls kann damit keine förmliche Zustellung i.S.d. § 175 ZPO begründet werden.

 

Rz. 89

 

Hinweis

Von der Frage, ob mittels Einwurf-Einschreiben eine Zustellung bewirkt werden kann, ist die Frage zu unterscheiden, ob mit der Vorlage des Einlieferungs- und des Auslieferungsscheins ein Zugangsnachweis geführt werden kann oder jedenfalls ein entsprechender Anscheinsbeweis besteht.[60]

Zu unterscheiden ist auch die Wirkung von Einwurf-Einschreiben bei materiellrechtlichen Erklärungen.[61]

 

Rz. 90

Nach der hier vertretenen Auffassung ist es nicht mehr erforderlich, dass die Übergabe an den Adressaten des Schriftstücks selbst erfolgt. Vielmehr reicht eine Übergabe an einen "Ersatzempfänger nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Postunternehmens" (!) aus. Dies sind insbesondere Familienangehörige oder Beschäftigte im Betrieb des Adressaten. Auch findet § 178 ZPO Anwendung, da § 175 ZPO dies nicht ausschließt. Das Bundessozialgericht ist allerdings anderer Auffassung,[62] die mit der Verweisung in § 176 Abs. 2 ZPO begründet wird. Hieraus ergebe sich, dass die Ersatzzustellung nur bei der förmlichen Zustellung mittels Zustellungsurkunde anwendbar sei. Das BSG greift sodann auf § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zurück und kommt damit i.d.R. zu gleichen Ergebnissen wie bei der Anwendung von § 178 ZPO. Der Streit bleibt also weitgehend theoretischer Natur und soll deshalb an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.

 

Rz. 91

 

Tipp

Wollen Sie diese Art der Übergabe verhindern, ist es erforderlich, dass Sie die Sendung mit dem Zusatz "eigenhändig" versehen. In diesem Fall ist allerdings auch eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 ZPO nicht möglich.

 

Rz. 92

Gegenüber den anderen Zustellungsarten besteht auch der Nachteil, dass eine Ersatzzustellung durch Einwurf in den Briefkasten[63] oder eine Niederlegung nicht möglich ist. Insoweit muss der Vorteil des erweiterten Empfängerkreises mit dem Nachteil abgewogen werden, wenn tatsächlich kein möglicher Empfänger angetroffen wird.

 

Rz. 93

Zu beachten ist, dass der Rückschein für den Nachweis der Zustellung zunächst der Zustellungsurkunde gleichsteht. Tatsächlich ist der Rückschein aber keine öffentliche Urkunde, so dass diese Zustellungsart dort ungeeignet ist, wo später die Zustellung durch öffentliche Urkunde nachgewiesen werden muss, z.B. bei der Beantragung einer qualifizierten Vollstreckungsklausel nach § 726 ZPO. Entsprechend richtet sich die Beweiskraft nach § 416 ZPO und nicht nach § 418 ZPO.

[58] Zu den verschiedenen Arten von Einschreiben vgl. Reichert, NJW 2001, 2523.
[59] So auch die Gesetzesbegründung: BT-Drucks 14/4554, 19; a.A. wohl Reichert, NJW 2001, 2523.
[60] Zu dieser Problematik Reichert, NJW 2001, 2523 unter Nachweis der bisherigen Rechtsprechung; ebenso AG Paderborn NJW 2000, 3722; a.A. Bauer/Diller, NJW 1998, 2796.
[63] Hierzu unten Rdn 175.

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